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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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gleichermaßenfroh und verlegen war. »Sie bitten immer uns Singles, solche Jobs an den wichtigen Familienfeiertagen zu übernehmen, weißt du.«
    »Vielleicht kannst du einfach so mal kurz vorbeischauen. Die meisten Gäste, die kommen, haben im Laufe des Tages auch noch etwas anderes auf dem Programm.«
    »Danke, ich werd sehen, was ich machen kann, und ruf dich dann an. Was für Freunde hast du eigentlich?«
    Aune überprüfte, ob seine Fliege richtig saß.
    »Ich habe nur solche wie dich«, sagte er. »Aber meine Frau kennt ein paar anständige Menschen.«
    In diesem Moment kam das Taxi vor ihnen zum Stehen. Harry hielt die Tür auf, während Aune einstieg, doch als er sie schließen wollte, fiel Harry noch etwas ein.
    »Was ist eigentlich der Grund für so eine Multiple Persönlichkeitsstörung?«
    Aune beugte sich im Sitz vor und sah zu Harry auf.
    »Um was geht es hier eigentlich, Harry?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es kann wichtig sein.«
    »Nun denn. MPD-Patienten sind oftmals in ihrer Kindheit missbraucht worden. Aber auch starke traumatische Erlebnisse im späteren Leben können die Ursache sein. Man erschafft sich eine andere Person, um vor den Problemen zu fliehen.«
    »Was für traumatische Erlebnisse können das sein, wenn wir von einem erwachsenen Mann ausgehen?«
    »Benutz deine Phantasie. Er kann eine Naturkatastrophe erlebt haben, eine geliebte Person verloren haben, Opfer einer Gewalttat geworden sein oder lange Zeit in Angst gelebt haben.«
    »Wie zum Beispiel als Soldat in einem Krieg?«
    »Krieg kann ohne Zweifel ein auslösender Faktor sein, ja.« »Oder in einer Guerilla.«
    Das Letzte sagte Harry zu sich selbst, denn das Taxi mit Aune fuhr bereits die Theresesgate hinunter.
     
    »Scotsman«, sagte Halvorsen.
    »Du willst den 17. Mai im Pub feiern?«, fragte Harry, schnitt eine Grimasse und stellte seine Tasche hinter dem Garderobenständer ab.
    Halvorsen zuckte mit den Schultern. »Hast du eine bessere Idee?«
    »Wenn es schon ein Pub sein muss, dann such dir wenigstens einen mit ein bisschen mehr Stil. Oder noch besser, entlaste einen der Familienväter hier und übernimm eine Wache beim Kinderumzug. Eine fette Feiertagszulage und garantiert kein Kater.«
    »Ich werd darüber nachdenken.«
    Harry ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
    »Willst du den nicht bald mal reparieren, der hört sich verdammt kaputt an.«
    »Der lässt sich nicht mehr reparieren«, erwiderte Harry mit einem Schulterzucken.
    »Sorry. Hast du in Wien etwas erreicht?«
    »Das sag ich später, du zuerst.«
    »Ich habe versucht, Even Juuls Alibi zu überprüfen für den Zeitpunkt, an dem seine Frau verschwand. Er behauptet, im Zentrum spazieren gegangen und in einem Café im Ullevålsveien gewesen zu sein, dort aber niemanden getroffen zu haben, der das bestätigen könnte. Die Bedienung im Café sagte, es sei zu voll gewesen, um irgendetwas zu bestätigen.«
    »Das Café liegt schräg gegenüber von Schrøder«, bemerkte Harry.
    »Ja, und?«
    »Ich meine ja nur. Was sagt Weber?«
    »Sie finden nichts. Weber meinte, dass sie irgendetwas an ihren Kleidern hätten finden müssen, wenn Signe Juul mit diesem Auto zur Festung gebracht worden wäre, das dieser Wachmann gesehen hat. Stofffasern von einem Rücksitz, Erde oder Öl aus dem Kofferraum, irgendetwas.«
    »Er hat Müllsäcke in seinem Auto ausgelegt«, gab Harry zu bedenken.
    »Das hat Weber auch gesagt.«
    »Hast du die trockenen Halme überprüfen lassen, die an ihrem Mantel hingen?«
    »Ja. Die können aus Moskens Stall stammen. Oder von einer Million anderer Orte.«
    »Heu, kein Stroh.«
    »Diese Halme haben nichts Besonderes, Harry, das ist bloß … Heu.« »Scheiße.« Harry blickte sich ärgerlich um.
    »Und Wien?«
    »Auch nur Heu. Kennst du dich mit Kaffee aus, Halvorsen?«
    »Hä?«
    »Ellen hat immer anständigen Kaffee gekocht. Sie hat ihn in irgendeinem Laden hier in Grønland gekauft. Vielleicht …« »Nein!«, sagte Halvorsen. »Ich koche keinen Kaffee für dich!«
    »Einen Versuch war’s wert«, sagte Harry und stand wieder auf.
    »Ich bin ein paar Stunden draußen.«
    »War das alles, was du über Wien zu sagen hattest? Heu? Nicht einmal ein Strohhalm?«
    Harry schüttelte den Kopf. »Sorry, auch nur eine Sackgasse. Du wirst dich daran gewöhnen.«
     
    Etwas war geschehen. Harry ging über die Grønlandsleiret, während er zu ergründen versuchte, was es war. Es hatte mit den Menschen auf der Straße zu tun, etwas war mit ihnen

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