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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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das Neue zu verarbeiten, es zusammenzusetzen. Doch es fehlte noch immer ein kleines Detail.
    »Even hat vor dem Krieg in Deutschland begonnen, Medizin zu studieren. Wissen Sie, warum in Deutschland?«
    »Nein«, antwortete Fauke.
    »Wissen Sie, ob er vorhatte, sich zu spezialisieren?«
    »Ja, er erzählte mir, dass er damals gerne seinem berühmten Pflegevater und dessen Vater nachgeeifert hätte.«
    »Was waren die?«
    »Haben Sie noch nichts von den Oberärzten Juul gehört? Sie waren Chirurgen.«
     
    Grønlandsleiret, 16. Mai 2000
     
    89 Bjarne Møller, Halvorsen und Harry gingen Seite an Seite die Motzfeldtsgate hinunter. Sie waren mitten in Klein Karachi, und die Gerüche, Kleider und Menschen, die ihnen entgegenströmten, erinnerten ebenso wenig an Norwegen wieder Geschmack des Kebabs, den jeder von ihnen in den Händen hielt. Ein kleiner Junge, auf pakistanische Weise für das bevorstehende Fest eingekleidet, jedoch mit einer Schleife in den norwegischen Nationalfarben auf dem vergoldeten Kragen, tanzte ihnen auf dem Bürgersteig entgegen. Er hatte eine merkwürdige Stupsnase und hielt eine norwegische Flagge in den Händen. Harry hatte in der Zeitung gelesen, dass die muslimischen Eltern an diesem Tag eine Art Siebzehnte-Mai-Feier für die Kinder arrangierten, damit sie sich morgen auf Maulud konzentrieren konnten.
    »Hurra!«
    Der Junge lächelte sie strahlend an und hastete vorbei.
    »Even Juul ist nicht irgendjemand«, sagte Møller. »Er ist vielleicht sogar unser angesehenster Kriegshistoriker. Wenn das stimmt, werden die Zeitungen einen gewaltigen Lärm machen. Gar nicht davon zu reden, wenn wir uns irren sollten. Wenn du dich irren solltest, Harry!«
    »Alles, was ich will, ist doch bloß, ihn gemeinsam mit einem Psychologen zu einem Verhör vorzuladen. Und einen Durchsuchungsbefehl für sein Haus.«
    »Und alles, was ich will, ist ein winziges Indiz oder ein Zeuge«, sagte Møller wild gestikulierend. »Juul ist eine bekannte Persönlichkeit und niemand hat ihn in der Nähe der Tatorte gesehen. Nicht ein Mal. Und was ist, zum Beispiel, mit diesem Anruf, den Brandhaugs Frau aus deiner Stammkneipe erhalten hat?«
    »Ich hab der Bedienung bei Schrøder Even Juuls Bild gezeigt«, sagte Halvorsen.
    »Maja«, präzisierte Harry.
    »Sie konnte sich nicht daran erinnern, ihn gesehen zu haben«, sagte Halvorsen.
    »Das meine ich ja gerade«, stöhnte Møller und wischte sich die Sauce vom Mund.
    »Ja, aber ich hab das Bild auch einigen gezeigt, die dort hockten«, fuhr Halvorsen fort und nickte kurz zu Harry hinüber. »Unter anderem einem alten Kerl in einem Mantel. Der hat genickt und gesagt, wir sollten ihn uns schnappen!«
    »In einem Mantel?«, fragte Harry. »Das ist der Mohikaner. Konrad Åsnes, der war früher auf einem Kriegsschiff. Ein seltsamer Kauz, doch ich fürchte, er ist kein zuverlässiger Zeuge. Aber egal, Juul hatzugegeben, in dem Café auf der anderen Straßenseite gesessen zu haben. Dort gibt es kein öffentliches Telefon. Wenn er also irgendwo anrufen wollte, wäre es ganz natürlich gewesen, hinüber zu Schr ø der zu gehen.«
    Møller schnitt eine Grimasse und sah nachdenklich auf seinen Kebab. Nur widerstrebend hatte er eingewilligt, einen dieser Börekkebabs zu probieren, die Harry mit den Worten Türkei trifft Bosnien und Pakistan am Grønlandsleiret empfohlen hatte.
    »Und, Harry, du glaubst wirklich an diesen Kram mit der Persönlichkeitsspaltung?«
    »Für mich hört sich das genauso seltsam an wie für dich, Chef, aber Aune sagt, das sei eine Möglichkeit. Und er ist bereit, uns zu helfen.«
    »Und du glaubst wirklich, dass Aune Juul hypnotisieren und diesen Daniel Gudeson, den er in sich haben soll, zum Vorschein bringen und ein Geständnis herauskitzeln kann?«
    »Es ist nicht einmal sicher, dass Even Juul weiß, was Daniel Gudeson getan hat. Deshalb ist es ja so notwendig, mit ihm zu reden«, sagte Harry. »Laut Aune sind Menschen mit MPD glücklicherweise sehr empfänglich für Hypnose, da sie das ja auch die ganze Zeit über mit sich selbst machen – Selbsthypnose.«
    »Wunderbar«, brummte Møller und verdrehte die Augen. »Und was willst du mit einem Durchsuchungsbefehl?«
    »Wie du selbst sagst, haben wir keine Indizien, keine Zeugen, und bei diesen psychologischen Methoden kann man sich ja nie sicher sein, ob das Gericht die anerkennt. Wenn wir aber die Märklin-Waffe finden, sind wir am Ziel. Dann brauchen wir all das andere nicht.«
    »Hm.« Møller blieb auf dem

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