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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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gemeint. Aber siebentausend Kronen, wollen Sie sich nicht lieber ein normales Zimmer …«
    »Mir gefällt dieses Zimmer«, beharrte der Alte. »Zählen Sie bitte sicherheitshalber nach.«
    Betty starrte auf die Tausendernoten, die er ihr entgegenstreckte. »Wir können die Bezahlung regeln, wenn Sie kommen«, sagte sie. »Äh, wann wollen Sie …«
    »Wie Sie es mir geraten haben, Betty. Im Frühling.«
    »Ah ja. Irgendein spezielles Datum?«
    »Natürlich.«
     
    Polizeipräsidium, 5. November 1999
     
    17 Bjarne Møller seufzte und sah aus dem Fenster.
    Seine Gedanken schweiften ab, wie so oft in der letzten Zeit. Der Regen hatte aufgehört, doch der Himmel hing noch immer tief und bleigrau über dem Polizeipräsidium im Osloer Stadtteil Grønland. Ein Hund lief über die braune leblose Rasenfläche vor dem Gebäude. In Bergen gab es eine freie PAC-Stelle. Die Bewerbungsfrist lief nächste Woche ab. Von einem Kollegen dort oben hatte er gehört, dass es im Herbst in Bergen in der Regel nur zweimal regnete. Von September bis November und von November bis Neujahr.Immer mussten sie übertreiben, diese Bergener. Er war dort gewesen, ihm hatte die Stadt gefallen. Sie war weit von den Politikern in Oslo entfernt und sie war klein. Das gefiel ihm.
    »Was?« Møller drehte sich um und bemerkte Harrys resignierten Blick.
    »Du warst gerade dabei, mir zu erzählen, dass es mir gut täte, ein wenig Veränderung in mein Leben zu bringen.«
    »Ja?«
    »Deine Worte, Chef.«
    »Ach ja, stimmt. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in alten Gewohnheiten verharren, damit nicht alles zur Routine wird. Wir müssen weiter, uns entwickeln. Mal an einen anderen Ort.«
    »Ein anderer Ort. Das PÜD liegt bloß drei Etagen höher.«
    »Weg von all dem anderen. Der Chef vom PÜD, Meirik, meint, du wärst genau der Richtige für diese Stelle.«
    »Müssen solche Stellen nicht ausgeschrieben werden?« »Mach dir darüber keine Gedanken, Harry.«
    »Aber ich darf mich doch wohl fragen, warum in aller Welt ihr mich im PÜD haben wollt? Sehe ich aus wie ein Spion?«
    »Nein, nein.«
    »Nein?«
    »Doch, natürlich, nein, also … warum nicht?«
    »Warum nicht?«
    Møller kratzte sich heftig am Hinterkopf. Sein Gesicht hatte Farbe bekommen.
    »Verdammt, Harry, wir bieten dir einen Job als Kommissionsleiter an, fünf Lohnstufen höher, keine Nachtdienste mehr und ein bisschen Respekt von den Newcomern. Das ist doch was, Harry.«
    »Ich mag die Nachtdienste.«
    »Niemand mag Nachtdienste.«
    »Und warum gebt ihr mir nicht die Kommissionsleiterstelle hier bei uns?«
    »Harry! Tu mir den Gefallen und sag ja!«
    Harry fingerte an dem Pappbecher herum. »Chef«, sagte er, »wie lange kennen wir zwei uns?«
    Møller hob warnend den Zeigefinger. »Jetzt fang nicht damit an. Ich will nichts davon hören, was wir alles zusammen durchgemacht haben …«
    »Sieben Jahre. Und in diesen sieben Jahren habe ich Leute verhört, die vermutlich zu den dümmsten gehören, die hier in der Stadt herumrennen. Trotzdem ist mir keiner begegnet, der schlechter lügt als du. Mag sein, dass ich dumm bin, aber ein paar graue Zellen habe ich noch, und die sagen mir, dass es wohl kaum meine Akte ist, die mir zu dieser Beförderung verholfen hat. Und auch nicht, dass sich ganz plötzlich herausstellt, dass ich eines der besten Ergebnisse bei der jährlichen Schießprüfung hatte. Sondern dass es etwas damit zu tun hat, dass ich einen Secret-Service-Agenten abgeknallt habe. Du brauchst jetzt nichts zu sagen, Chef.«
    Møller, der gerade seinen Mund geöffnet hatte, klappte die Kiefer zusammen und verschränkte stattdessen demonstrativ seine Arme. Harry fuhr fort:
    »Ich versteh ja, dass nicht du hier Regie führst. Und auch wenn mir nicht alles klar ist, hab ich doch Phantasie genug, mir den Rest zusammenzureimen. Und wenn ich Recht habe, bedeutet das, dass meine eigenen Vorstellungen und Wünsche bezüglich meiner Karriere im Polizeidienst von untergeordnetem Interesse sind. Also gib mir nur eine Antwort. Habe ich überhaupt eine Wahl?«
    Møller blinzelte mit den Augen. Er dachte wieder an Bergen. An schneefreie Winter. Sonntagsspaziergänge mit Frau und Kindern auf Floyen. Einem Ort, an dem es sich lohnte aufzuwachsen. Ein paar gutmütige Lausbubenstreiche und ein bisschen Hasch, aber keine Bandenkriminalität, keine Vierzehnjährigen, die sich den goldenen Schuss setzten.
    »Nein«, antwortete er.
    »Gut«, sagte Harry. »Das dachte ich mir.« Er knüllte den Pappbecher

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