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Rotkehlchen

Rotkehlchen

Titel: Rotkehlchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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enge Jeans, Springerstiefel und ein weißes T-Shirt mit dem rot-weiß-blauen Logo der Nationalen Allianz. Doch Halle war neu. Er hatte sich die Haare schwarz gefärbt und den Scheitel mit Gel zur Seite gekämmt. Sein Bart aber provozierte die Menschen am meisten – eine schwarze, zierlich rasierteBürste, eine exakte Kopie des Führers. Die weiten Reithosen und hohen Reitstiefel hatte er durch grüne Tarnhosen ersetzt. Gregersen war der Einzige, der wie ein gewöhnlicher Jugendlicher aussah: kurze Jacke, Kinnbart und Sonnenbrille in den Haaren. Er war ohne Zweifel der Klügste von ihnen.
    Sverre ließ seinen Blick weiter durch das Lokal schweifen. Ein Mädchen und ein Kerl stopften eine Pizza in sich hinein. Er hatte sie noch nie gesehen, doch sie sahen nicht wie Polizeispitzel aus. Und auch nicht wie Journalisten. Oder waren sie vom Monitor? Letzten Winter hatte er einen Monitor-Fritzen entlarvt, einen Typen mit ängstlichen Augen, der sich ein paarmal zu oft hier hereingewagt hatte, den Besoffenen gespielt und versucht hatte, mit den Jungs ins Gespräch zu kommen. Sverre hatte den Verrat gerochen und dann hatten sie den Kerl mit nach draußen genommen und ihm den Pullover vom Leib gerissen. Auf seinem Bauch waren ein Kassettenrecorder und ein Mikrofon festgeklebt gewesen. Er hatte zugegeben, vom Monitor zu sein, noch ehe sie Hand an ihn gelegt hatten. Todesangst. Das waren verdammte Trottel, diese Monitor-Fritzen. Sie hielten diese Kinderei, diese freiwillige Überwachung der Faschoszene für etwas wirklich Wichtiges, Gefährliches und sich selbst wohl für heimliche Agenten, die sich ständig in Lebensgefahr befanden. Na ja, was das anging, unterschieden sie sich eigentlich kaum von einigen in seinen eigenen Reihen, das musste er wohl einräumen. Der Kerl war sich auf jeden Fall sicher gewesen, sie würden ihn umbringen, und hatte dermaßen Angst, dass er sich voll pisste. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sverre hatte den dunklen Streifen bemerkt, der aus seinem Hosenbein über den Asphalt rann Daran erinnerte er sich am deutlichsten, wenn er an diesen Abend dachte. In dem spärlich beleuchteten Hinterhof hatte das kleine Rinnsal Urin richtiggehend geglitzert, als es auf den tiefsten Punkt des Terrains zufloss.
    Sverre Olsen entschloss sich, in dem Pärchen nur zwei hungrige Jugendliche zu sehen, die beim Vorbeigehen zufällig die Pizzeria entdeckt hatten. Die Geschwindigkeit, mit der sie aßen, deutete darauf hin, dass auch sie bemerkt hatten, was für eine Klientel hier verkehrte, und so schnell wie möglich wieder nach draußen wollten. Am Fenster saß ein alter Mann mit Hut und Mantel. Vielleicht ein Alkoholiker, auch wenn seine Kleider etwas anderes vermuten ließen. Doch so sahen sie in den ersten Tagen ja oft aus, nachdem sie von derHeilsarmee eingekleidet worden waren – gebrauchte gute Kleider und Anzüge, die lediglich nicht mehr richtig modisch waren. Während er ihn ansah, hob der Alte plötzlich den Kopf und erwiderte seinen Blick. Das war kein Alkoholiker. Der Mann hatte funkelnde blaue Augen und Sverre sah automatisch weg. Verdammt, was glotzte der Alte so!
    Sverre konzentrierte sich auf sein Bier. Es war an der Zeit, mal wieder ein bisschen Geld zu verdienen. Die Haare wachsen zu lassen, damit sie die Tätowierung in seinem Nacken verdeckten, ein langärmliges Hemd anzuziehen und loszulegen. Jobs gab es genug. Scheißjobs. Die angenehmen, gut bezahlten Jobs hatten die Nigger längst besetzt. Die Schwulen, Heiden und Nigger.
    »Darf ich mich setzen?«
    Sverre blickte auf. Es war der Alte, der sich über ihn beugte. Sverre hatte nicht einmal bemerkt, dass er herübergekommen war.
    »Das ist mein Tisch«, brummte Sverre abweisend.
    »Ich möchte nur kurz mit Ihnen reden.« Der Alte legte eine Zeitung zwischen sich und ihn auf den Tisch und setzte sich schräg vor ihm auf einen Stuhl. Sverre starrte ihn wachsam an.
    »Immer mit der Ruhe, ich bin einer von euch«, sagte der Alte. »Und was heißt, einer von uns?«
    »Einer von denen, die hier verkehren. Nationalsozialisten.« »Ach ja?«
    Sverre fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und führte sein Glas an den Mund. Der Alte saß reglos da und sah ihn an. Er schien alle Zeit der Welt zu haben. Das hatte er vielleicht auch, er schien an die siebzig zu sein. Wenn nicht noch älter. Konnte das einer der alten Kumpanen vom Zorn 88 sein? Einer der scheuen Hintermänner, von denen Sverre nur gehört, die er aber nie zu Gesicht bekommen hatte?
    »Ich

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