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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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nicht zugeklebt und wirkte, als sei er leer. Es waren aber zwei Blätter darin: ein handgeschriebener Brief auf liniertem Papier und ein Zeitungsausschnitt.
    Krüger griff danach. Ich zog die Papiere weg. »Lassen Sie mich vorlesen«, rief ich.
    Der Kommissar nickte. Er schickte seine Eskorte von uniformierten Polizisten hinaus und nahm auf dem Sofa Platz. Jutta setzte sich neben ihn.
    »Ich lese erst den Brief vor«, sagte ich.
    »Machen Sie schon. Wir haben nicht bis Weihnachten Zeit.«
    Ich entfaltete das Blatt. Die Schrift war mädchenhaft rund und gut zu lesen. Offenbar hatte sich jemand große Mühe gegeben, deutlich zu schreiben.
    »Liebe Petra«, las ich. »Wenn du diesen Brief erhältst, ist es schon passiert.«
    »Was denn?«, fragte Jutta unwillkürlich, und Krüger warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. Ich las weiter.
    »Sie werden mich nicht finden, und meine Qual wird ein Ende haben. Du weißt, wie es mir in den letzten Monaten ging. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Deswegen dieser Abschied. Ich möchte dir aber noch einen Rat mit auf den Weg geben. Fang ein neues Leben an. Halte dich von diesem Reinsdorf fern. Werde eine andere. Das ist leichter, als man denkt. Wie du weißt, habe ich keine Familie mehr. Außer dir und deiner Mutter hatte ich niemanden. Und außer euch vermisst mich auch niemand. Beiliegend sende ich dir meinen Personalausweis. Er ist noch ein paar Jahre gültig. Deine Rosi - Agnes von Rosen-Winkler.«
    »Rosi?«, fragte Krüger.
    »Ja«, sagte ich. »Die Freundin von Petra Ziebolds Mutter. Sie haben in Wuppertal zusammen in der Kaiserstraße gewohnt. Rosi verschwand eines Tages. Sie hatte Aids.«
    »Und Petra Ziebold hat die Papiere von dieser Frau übernommen und ist unter ihrem Namen aufgetreten?«
    »Genau. Ich glaube, es ist so abgelaufen: Petra Ziebolds Mutter war eine Wuppertaler Prostituierte. Petra ist in jungen Jahren abgehauen, hat eine Ausbildung gemacht und in Siegburg in einer Parfümerie gearbeitet. Nebenher hat sie hin und wieder krumme Dinger gedreht. So hat sie zum Beispiel 1990 mit einer Kollegin zusammen Parfüm geklaut. Die Sache kam raus, sie verlor ihren Job und hat sich dann oder auch schon früher mit Rob Reinsdorf zusammengetan - einem Berufseinbrecher.« Ich machte eine Pause, weil Jutta verständnislos dreinblickte. »Alles verstanden?«, fragte ich.
    Sie nickte. »Ich kann nur einfach nicht glauben, dass du von Agnes redest.«
    »Tue ich aber. Zumindest von der Person, die du als Agnes kennst. Weiter. Irgendwann fallen Reinsdorf und Petra Ziebold bei einem Einbruch Rubine in die Hände, mit denen sie später an Autos kommen. Teure Autos, aus Tristan Sülzbachs Autohaus. In der Zwischenzeit lebt Petras Mutter Erika in Wuppertal mit einer Freundin, einer Kollegin, zusammen, die Aids hat. Die Situation ist angespannt, die beiden Frauen kriegen oft Krach. Die Freundin heißt in Rotlicht-Kreisen nur ›Rosi‹. Ihr richtiger Name ist Agnes von Rosen-Winkler, und sie ist eine waschechte Baronin.«
    »Eine Baronin, die Prostituierte ist?«, fragte Jutta dazwischen.
    »Warum nicht? Leute wie du und ich. Hast du selbst gesagt. Irgendwann verliert sie den Lebensmut, und sie vermacht Petra ihre Papiere.«
    »Warum sollte sie das tun?«, wollte Jutta wissen.
    »Aus Freundschaft. Wie sie in dem Brief schreibt.«
    »Aber wenn sie an ihrer Krankheit gestorben ist, dann hat man ihren Tod gemeldet.«
    »Sie ist nicht an Aids gestorben. Ich tippe mal, dass sie vorher Selbstmord begangen hat.«
    »Was?« Diesmal fragte Krüger. »Woher wissen Sie das?«
    »Sie deutet es in dem Brief an. Was sie da schreibt: ›Sie werden mich nicht finden‹, und ›die Qual hat ein Ende‹, das passt doch dazu. Außerdem gibt es ja noch das hier.« Ich zeigte den Zeitungsausschnitt. »Unbekannte Leiche in der Wupper entdeckt«, las ich die Überschrift. »Die unbekannte Leiche dürfte Rosi gewesen sein. Petra Ziebold hat das hier später in der Zeitung gefunden und als Erinnerung aufbewahrt.«
    Krüger stand auf, nahm mir den Artikel aus der Hand und überflog ihn. »Tatsächlich«, sagte er. »Das ist von 1993.«
    Ich fuhr fort. »Petra hat jetzt also die Papiere, die noch bis 2003 gültig sind, und plant, sich von Reinsdorf zu trennen. Das Geld für ihr neues Leben stammt von dem Betrug an Sülzbach, den sie natürlich damals nicht kannte.«
    Jutta reichte ihm den Ausweis, und er nahm ihn in Augenschein. »Sieht echt aus«, sagte er.
    »Ist ja auch echt. Als der Betrug an Sülzbach

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