Rott sieht Rot
redete auf mich ein. Ich schüttelte den Kopf. »Das ist ja ’ne Braut«, rief er.
Meine Knie schmerzten. Ich stand auf. Der Mann fingerte nervös ein Handy aus seiner Brusttasche und rief irgendwen an.
Ich blickte auf die Straße und sah die Wagen vorüberfahren, die alle an unserer Unfallstelle plötzlich abbremsten. Die Insassen wandten uns die Köpfe zu. Kinder auf dem Rücksitz machten große Augen, als gäbe es hier ein Schaufenster voller Spielzeug zu sehen.
*
»Der Krankenwagen kam und hat sie ins Krankenhaus gebracht. Mehr weiß ich auch nicht«, sagte Jutta am Telefon.
»Kann man mit ihr sprechen?«
»Ich glaube nicht. Was ist mit Agnes?«
»Das Gleiche.«
»Was?«
Ich berichtete von der Verfolgungsjagd und dem Unfall. Bis die Polizei alles aufgenommen hatte, war eine gute Stunde vergangen. Die ganze Hintergrundgeschichte hatte ich erst mal verschwiegen. Offiziell war ich ja nicht am Unfall beteiligt gewesen, sondern nur Zeuge. Jetzt saß ich wieder im Wagen und fuhr nach Remscheid zurück.
»Aber was steckt dahinter?«, wollte Jutta wissen. »Diese kleine Rothaarige muss ja völlig durchgeknallt sein. Das hätte man sich natürlich denken können nach ihren Schaufensterattentaten.«
»Ich glaube, das weiß ich besser.«
»Dann erklär es mir.«
»Später. Sag mal, wo ist eigentlich die Wohnung deiner Baroninnen-Freundin? Wir haben uns immer nur bei dir getroffen; das letzte Mal sogar auf der Straße. Wo wohnt sie?«
»Warum ist das wichtig?«
»Überlass das mir. Also - raus mit der Sprache.«
Jutta nannte eine Adresse in der Wilhelmstraße. Ich hatte den Namen schon mal auf dem Stadtplan gelesen. »Das ist in der Nähe vom Stadtpark, oder?«
»Ganz genau.«
»Wir treffen uns dort in zehn Minuten.«
»Und was willst du da?«
»Sage ich dir dann. Noch eine andere Frage. Als beste Freundin hast du doch bestimmt einen Schlüssel, oder?«
»Warum?«
»Weil ich sonst die Tür eintrete.«
»Wie bitte?«
»Ich meine es ernst. Ich suche einen ganz bestimmten Beweis.«
Einen Moment lang war Schweigen in der Leitung. Die Ampel an der Autobahnauffahrt auf der Lenneper Straße war rot. Ich hielt.
»Also, was ist nun?«, fragte ich.
»Okay. Ich habe einen Schlüssel. Ich habe Agnes’ Sachen.«
»Weil Brautkleider keine Taschen haben.«
»So ist es. Ich brauche aber länger, bis ich da bin. Ich muss schließlich von Elberfeld rüberkommen.«
*
Ich fand die Adresse. Es war ein grauer Kasten, der wahrscheinlich Eigentumswohnungen enthielt. Ich ging eine Weile vor dem Haus auf und ab und ließ mir noch einmal alles durch den Kopf gehen. Je mehr sich die Aufregung legte, desto mehr dachte ich darüber nach, ob ich mich geirrt hatte. Ob sich Svetlana geirrt hatte.
Verdammt, wo blieb Jutta?
Und wenn es in der Wohnung keinen Hinweis gab?
Ich drehte mich um, weil ein Auto herangefahren kam. Ein weiß-grüner Personenwagen. Er hielt, und ein Mann in Zivil stieg aus.
Hauptkommissar Krüger.
Er grinste süffisant. »Na, Herr Rott? Nun sitzen wir aber ziemlich tief in der Tinte, was?«
In meinen letzten Fällen hatte ich mich immer gefreut, wenn am Schluss die Polizei, dein Freund und Helfer, auftauchte und mich aufs Revier mitnahm. Diesmal war es anders.
»Sie haben nicht viel zu sagen, oder?«, stellte Krüger fest, während wir uns im Streifenwagen Wuppertal näherten.
»Sie haben mich ja noch nichts gefragt«, antwortete ich. Ich saß auf der Rückbank. »Aber ich wüsste gern was. Wer hat Sie in die Wilhelmstraße geschickt?«
»Eine Dame aus der Hochzeitsgesellschaft war so nett, uns zu sagen, wo Sie stecken. Und ich lasse es mir natürlich nicht nehmen, Sie persönlich zu den Dingen zu befragen, die gerade Remscheid in Atem halten.«
»In Atem halten?«
»Sie können sich vorstellen, was los ist. Eine Promihochzeit endet in einer Schießerei. Dann geht das Ganze in eine Verfolgungsjagd über, an der Sie nicht ganz unbeteiligt sind. Die Polizei mag zwar manchmal etwas bürokratisch sein, aber stellen Sie sich vor - auch die Berichte über die Vorgänge in Leverkusen sind mittlerweile auf meinem Schreibtisch gelandet. Und immer wieder taucht ein Name auf, der mein Herz höher schlagen lässt. Remigius Rott. Was sagt uns das?«
»Dass ich meinen Finger am Puls der Zeit habe?«
»Lassen Sie die Witze. Ich habe eher das Gefühl, dass Sie diesmal mindestens zwei Schritte zu weit gegangen sind. Ich verlange Aufklärung. Und zwar restlos.«
»Da geht es Ihnen wie mir.«
*
Wir
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