Rott sieht Rot
Ende.«
»Wieso denn geschäftlich?«
»Überleg doch mal: eine Besitzerin eines Brautmodengeschäfts, der der Bräutigam abhanden kommt.«
Ich nickte. »Da hast du Recht - auch wenn ich es ziemlich abartig finde, eine solche Show durchzuziehen, nur um das Aushängebrautpaar für einen Laden zu spielen. Aber wenn der Mann mit einer anderen auf und davon ist, kann ich ihn schlecht an den Ohren vor den Traualtar schleifen.«
Jutta sah mich streng an. »Remi, ich bin davon überzeugt, dass er nicht durchgebrannt ist.«
»Dafür würde ich nicht die Hand ins Feuer legen. Und wenn ihm was passiert ist, dann ist das ein Fall für die Polizei, nicht für mich.«
»Es ist gerade kein Fall für die Polizei. Erstens würde dann die Presse sofort Wind davon bekommen -«
»Stimmt nicht«, fuhr ich dazwischen. »Die können auch dicht halten, wenn’s drauf ankommt.«
»Aber das Risiko ist zu groß. Was glaubst du, was das für die Journalisten bedeutet, so was zu berichten? Und zum anderen: Was kann die Polizei machen? Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er nicht doch abgehauen ist. Zumindest, wenn man die Sache bei Licht betrachtet.«
»Siehst du - du sagst es selbst.«
»Wie auch immer. Verstehst du nicht, dass Agnes Hilfe braucht? Sie hat niemanden.«
»Ich denke, sie ist ein Adelsspross. Haben die nicht irgendwelche Connections untereinander?«
»Ich glaube, du siehst zu viel fern. Oder liest du etwa neuerdings diese Frauenzeitschriften mit Adelsberichterstattung? Lass dich doch nicht von dem ›von‹ im Namen blenden. Sie ist in einem Kinderheim aufgewachsen. Ihre Eltern starben früh. Die Familie hatte überhaupt kein Geld. Dass sie eine Baronin ist, hat sie erst rausgekriegt, als sie volljährig war. Und jetzt, als Geschäftsfrau, nutzt sie es natürlich für ihr Image. Das ist alles.«
Hier schien es von Waisen nur so zu wimmeln. Ich stand auf. »Ich hab’s kapiert«, erklärte ich. »Und jetzt?«
»Du ziehst dich an, und wir gehen runter zu ihr. Ich hab doch schon gesagt, dass sie im Wagen wartet. Eigentlich wollte sie gar nicht, dass ich dich einschalte. Aber ich habe ihr klar gemacht, dass das die einzige Chance ist, einen Skandal zu vermeiden.«
Ich knöpfte das Hemd zu. »Findest du nicht, dass du ihr ein bisschen viel abnimmst? Du hast ihr immerhin einen Mann besorgt - und jetzt engagierst du dich auch noch, um den verschwundenen Mann zurückzuholen.«
Jutta erschien im Türrahmen und lächelte schief. »Natürlich - schließlich bin ich Agnes jetzt erst recht verpflichtet.«
*
Jutta hatte ihren schwarzen Nobel-BMW in einer der Parktaschen in der Kasinostraße abgestellt. Als wir ankamen, war das Auto verschlossen. Von der Baronin keine Spur.
»Verdammt, was ist jetzt wieder los?«, sagte Jutta und sah sich um.
»Besonders erpicht scheint sie ja auf meine Hilfe nicht zu sein«, stellte ich fest.
»Vielleicht ist sie ein bisschen spazieren gegangen. Los, wir suchen sie.«
Wir fanden Frau von Rosen-Winkler in der Bäckerei am Anfang der Friedrich-Ebert-Straße. Sie lehnte an einem der Stehtische und aß ein Rosinenbrötchen. Vor ihr stand eine Tasse Kaffee. »Ich habe gedacht, das dauert ewig«, sagte sie kauend.
Bisher hatte ich sie nur im Schummerlicht von Juttas Wohnung gesehen. In der Neonbeleuchtung des Backshops wirkte sie ganz anders, als ich sie in Erinnerung hatte. Sie hatte diesmal auf ihren silbernen Lidschatten verzichtet und sah völlig unscheinbar aus. Wenn ich ihr hier zufällig begegnet wäre, hätte ich sie nicht erkannt.
»Remi übernimmt die Sache«, sagte Jutta. »Wir haben alles geklärt.«
Agnes von Rosen-Winkler nickte mir zu und schluckte den Rest ihres Brötchens herunter. Ihr Blick war prüfend, und ich war schon darauf gefasst, dass sie wieder mit der Versagertour beginnen würde. »Nichts für ungut«, sagte sie stattdessen.
Zu einer richtigen Entschuldigung ließ sie sich nicht herab. Mir wurde klar, dass ich eigentlich Jutta einen Gefallen tat. Und das Ende ahnte ich auch schon: Ich würde noch heute feststellen, dass Tristan Sülzbach mit Svetlana Maiwald abgehauen war.
Und damit war alles erledigt. Hochzeit geplatzt - wie Svetlana gesagt hatte. C’est la vie. Umso überzeugender konnte ich jetzt den fleißigen Ermittler spielen.
»Wann haben Sie Ihren Bräutigam zum letzten Mal gesehen?«, fragte ich die Baronin.
»Am Sonntag. Wir haben den Nachmittag zusammen verbracht. So gegen sechs musste Tristan zu einem Geschäftstermin nach Köln. Danach haben wir
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