Rott sieht Rot
wichtig?«
»Ja.«
»Okay. Er hat nicht viel gesagt. Er hätte sich das mit uns überlegt. Er sähe keine Chance für uns. Er habe sich nun mal für diese Kuh entschieden.« Sie leierte die Nachricht herunter.
»Wie geht’s dir?«, fragte ich.
»Interessiert dich das wirklich?«
»Sonst würde ich nicht fragen.«
»So lala. Und dir?«
Ich versuchte, ehrlich zu sein. »Ich muss immer daran denken, wie du mir die Hand gereicht und ›Freunde‹ gesagt hast.«
»Habe ich das? Na ja - wenn du es sagst.«
Mir fiel etwas ein. »Hast du einen Schlüssel zu seinem Haus?«
»Nein - wieso?«
»Die Baronin hat auch keinen. Ich muss aber die Wohnung durchsuchen.«
»Ist es wirklich so ernst?«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Das will ich ja gerade rauskriegen.«
»Warum schaltet die Rosen-Winkler nicht die Polizei ein?«
»Sie hat ihre Gründe«, sagte ich.
»Ich kann mir schon vorstellen, welche Gründe das sind. Bloß nichts an die große Glocke hängen. Was willst du jetzt machen?«
»Erst mal möchte ich dich bitten, darüber nachzudenken, was passiert sein könnte. Ich melde mich wieder bei dir.«
»In Ordnung.«
Ich drückte den roten Knopf und steckte das Handy weg. Dann suchte ich eine Möglichkeit, in das Haus zu kommen.
Die Terrassentür war ordentlich verschlossen - genau wie alle Fenster im Erdgeschoss. Schließlich entdeckte ich an der Hauswand ein Gitterrost aus Metall; darunter befand sich ein Schacht mit Kellerfenstern. Auch hier hatte Sülzbach für frische Luft gesorgt: Eines der Fenster war gekippt. Man konnte ins Souterrain gelangen, wenn man sich ein bisschen anstrengte.
Das Rost ließ sich leicht anheben. Ich stieg in die Öffnung und machte mich daran, das darunter liegende Fenster aufzuhebeln. Ich war nicht so geübt wie ein professioneller Einbrecher, und es war verdammt eng. Aber nach zwanzig Minuten hatte ich es geschafft. Ich quetschte mich hindurch und kam in den Heizungskeller.
Ich erreichte die Diele, dann das kahle Wohnzimmer, wo ich mich mit dem Hausherrn über die geheimnisvolle Autonummer unterhalten hatte. Auch dieser Spur musste ich so schnell wie möglich nachgehen.
Der Raum war mir schon beim ersten Mal gähnend leer erschienen. Wie ich nach und nach herausfand, galt das für das ganze Haus. Es war leicht zu durchsuchen, denn die Einrichtung bestand nur aus dem Nötigsten. Es gab keine Bücher, keine Bilder an den Wänden, keine besonderen Möbel, keine Blumenvasen. Nichts Persönliches, kein Zierrat. Sülzbachs Zuhause war nichts sagender als die Szenerien im Möbelhauskatalog.
Nur die Küche war überraschend unordentlich. Auf einem Esstisch am Fenster befand sich ein mit Krümeln übersäter Teller mit einem verschmierten Messer darauf und eine gebrauchte Kaffeetasse. Die Kaffeemaschine auf der Anrichte war ausgeschaltet, aber die Kanne war noch halb voll.
Ich inspizierte die obere Etage und fand ein spartanisches Schlafzimmer mit einem riesigen Bett von mindestens zwei mal zwei Metern Größe. Die zerwühlte Bettdecke und das zerknautschte Kissen wirkten verloren darauf.
Ich öffnete die Tür des Nachttischs und fand ein paar Kopfschmerztabletten. In der flachen Schublade drängten sich eine Schachtel Kondome und ein kleines Fotoalbum.
Ich schlug es auf und sah Svetlana. Schwarzweiß vor einer Waldkulisse, dann mit Sülzbach zusammen Arm in Arm in ihrer Wohnung. Ich erkannte den Rattantisch und einen der Sessel. Weiter hinten wurden die Bilder farbig. Ich spürte einen Ruck im Bauch wie bei einer Achterbahnfahrt. Svetlana lag nackt ausgestreckt auf einem Bett, das ich als Sülzbachs Lagerstatt erkannte. Ihr Gesichtsausdruck war ungeniert auffordernd; sie lächelte dem Fotografen entgegen. Die Sommersprossen, die ich auf ihrem Arm gesehen hatte, bedeckten auch ihre kleinen Brüste. Sie hatte nicht nur auf dem Kopf rote Haare.
Auf der letzten Seite war kein Foto mehr eingeklebt - dafür ein roter Zettel. »In Liebe S.« hatte sie mit einem Filzstift darauf geschrieben. Ich legte das Album weg, doch das Bild des nackten Mädchens hatte sich auf meine Netzhaut gebrannt. Wahrscheinlich für alle Zeiten.
Ich inspizierte den Kleiderschrank. Anzüge, Hemden, Unterwäsche. Socken in einer Schublade. Zwei Koffer in der Ecke warteten darauf, auf eine Reise mitgenommen zu werden. Ich fand keine Spur von größerem Aufbruch; auch im benachbarten Bad nicht. Dort stand eine Zahnbürste ordentlich im Becher, ein elektrischer Rasierapparat lag auf dem Bord über dem
Weitere Kostenlose Bücher