Rott sieht Rot
aber es klang ratlos. Nicht wie eine Feststellung, sondern mehr wie eine Frage. »Er hat mich verlassen«, kam es dann vom Bett.
Svetlana stand auf, zeigte mir immer noch nicht ihr Gesicht. Sie ging zum Fenster. »Einfach Schluss gemacht. Verdammt, da steckt diese Kuh dahinter.«
»Ich gehe wohl besser«, sagte ich. »Es tut mir Leid.«
Sie fuhr herum und sah mich giftig an. »Ja, ja, dir tut es Leid. Du bist doch schuld. Du Blödmann. Und ich lade dich auch noch zum Tee ein. War ich bescheuert…«
Sie rang nach Worten, und ich nutzte die Pause, um etwas zu sagen. »Was ist los? Wieso soll ich schuld sein?«
»Gib doch zu, dass du dieser Baronin von mir und Tristan erzählt hast.«
»Kein Wort habe ich gesagt.« Ich war wie betäubt.
»Hau ab!«, schrie sie, plötzlich wie von Sinnen, kam auf mich zu, blieb stehen und brach schlagartig wieder in Tränen aus.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich spürte so etwas wie ein weiß glühendes Eisen zwischen Magen und Wirbelsäule. Man musste sie irgendwie trösten, und ich dachte, das würde gehen wie in diesen Fernsehserien, wo sich die Leute ständig in den Arm nehmen. Ich versuchte es und hatte gerade meine rechte Hand auf ihren Rücken gelegt, da schien Svetlana zu explodieren.
»Fass mich nicht an!«, brüllte sie in einer solchen Lautstärke, dass ich zurückprallte. Sie setzte noch mit ein paar Schlägen gegen meine Brust nach und drängte mich aus dem Zimmer. Ehe ich mich versah, stand ich im Treppenhaus, und die Tür knallte zu.
Ein paar Sekunden war nichts zu hören, dann gab es ein Geschepper, als sei das japanische Service zu Bruch gegangen.
Ich horchte, doch da war nur noch Totenstille.
*
Auf dem Heimweg tobte es in mir. Ich ertappte mich bei riskanten Überholmanövern. Zweimal hätte ich beinahe eine rote Ampel übersehen. Ich schwankte zwischen Trauer und Wut.
Was bildete sich dieses Gör eigentlich ein? Ein Wort von mir, und sie hatte ein Gerichtsverfahren am Hals, während ich meine Prämie einstrich. Und da war kein Tristan mehr, der für sie den Schadensersatz übernahm!
Andererseits: dieser Blick, als sie mir die Hand reichte und »Freunde« sagte …
Wieder andererseits: Jetzt konnte sich Frau Baronin wahrscheinlich auf eine wahre Sprayorgie gefasst machen - wenn nicht sogar auf ein Attentat.
Als ich meinen Wagen in Wuppertal parkte, hatte die Wut in mir wieder die Oberhand gewonnen. Ich würde den Fall wasserdicht und professionell abschließen. Ich würde meiner Auftraggeberin melden, wen ich ermittelt hatte. Ich stapfte entschlossen die Stufen hinauf und legte mir eine Geschichte zurecht, wie ich jetzt so plötzlich auf die Täterin gekommen war. Am besten, ich behauptete einfach, sie heute Abend ertappt zu haben …
Ich betrat meine Wohnung. Das rote Licht am Anrufbeantworter blinkte. Ich überlegte, ob ich erst Frau von Rosen-Winkler anrufen und dann die Gespräche abhören sollte. Dann fiel mir auf, dass nur ein Anruf gespeichert war. Den konnte ich eben noch dazwischenschieben. Ich drückte auf die »New«-Taste, das Band lief zurück, und ich hörte eine bekannte Stimme.
»Von Rosen-Winkler. Herr Rott, hiermit entbinde ich Sie von Ihrem Auftrag. Ich weiß jetzt, wer dahinter steckt, und werde die Sache privat regeln. Ich betone noch einmal, dass ich es als ein Trauerspiel empfinde, dass Sie nicht in der Lage waren, in der gegebenen Zeit diesen Fall zu lösen. Ich bin übrigens nicht allein dieser Ansicht. Auch Ihre Tante brachte ganz deutlich zum Ausdruck, dass Sie ein Ver …«
Ich würgte das Ding ab. Ich war so aufgebracht, dass ich eine ganze Weile ruhelos durch die Wohnung lief. Irgendwann konnte ich nicht mehr und ließ mich auf mein Sofa fallen. Ich zog die Straßenschuhe aus, schmiss mein Sakko in die Ecke und inspizierte meinen Vorrat an Konservendosen und Bier.
Ich schaltete den Fernseher an und glotzte eine Weile, ohne zu folgen. Immer wieder schoben sich vor die Gesichter dieser angeblich hemmungslos leidenden, aber mordsmäßig aufgetakelten amerikanischen Blondinen Svetlanas dunkle Augen, ihre fahle Haut und die roten Haare.
Ich leerte nach und nach einen Kasten Kölsch, und sackte nach und nach in einen Zustand, in dem ich nicht mehr spürte, wie die Zeit verging. Ich ernährte mich außer von Bier und Erbsensuppe von vier Danone-Puddings, die ich im Kühlschrank gefunden hatte. Ab und zu klingelte das Telefon. Beim ersten Mal war der AB noch laut, und ich erkannte Sülzbach. Ich wollte mit dem ganzen
Weitere Kostenlose Bücher