Rott sieht Rot
fragte Jutta.
»Ja. Es ist so. Ich habe doch gesagt, dass wir erst nach der Hochzeit zusammenziehen wollen. Wir sind einfach noch nicht dazu gekommen, Schlüssel auszutauschen.«
Ich seufzte. »Aber das Foto brauche ich.«
»Halten Sie die Sache bloß unter dem Deckel.«
»Das habe ich verstanden.«
»Keine Polizei, keine Presse. Keine Öffentlichkeit.«
»Kapiert.«
Sie drehte sich zu mir herum. »Und bringen Sie ihn zurück. Egal, warum er verduftet ist. Das kann er mir nicht antun. Verstehen Sie?« Offenbar spielte sie auf die mögliche Flucht mit Svetlana an, die ich mir schon zusammengereimt hatte.
»Ich tue, was ich kann.«
»Und beeil dich«, sagte Jutta. »Es ist jetzt kurz nach drei. Heute ist Donnerstag. Die Hochzeit ist am Samstag Nachmittag um vier. Übermorgen.«
»Auch das ist mir klar«, sagte ich. »Mit anderen Worten: Ich habe gut achtundvierzig Stunden Zeit.«
9. Kapitel
Ein Foto von Tristan hatte die Baronin in der Handtasche gehabt. Es war dasselbe Bild, das auch in der Zeitung gewesen war - Tristan und Agnes fröhlich vereint. Dass der Ehemann etwas mit einer 25-Jährigen am Laufen hatte, wurde weggegrinst.
Wir hatten uns auf mein Standardhonorar von zweihundertfünfzig Euro am Tag geeinigt. Frau von Rosen-Winkler war wieder nicht so begeistert über meinen Preis gewesen; aber schließlich signalisierte mir Jutta, dass es schon in Ordnung ging. Jetzt fing sie also schon an, finanziell für ihre Freundin einzuspringen.
Als die Damen weg waren, ging ich hinauf ins Büro, griff zum Telefon und versuchte, Sülzbach zu erreichen. Unter der Festnetznummer meldete sich der Anrufbeantworter, unter der Mobilnummer eine Mailbox. Dann probierte ich es bei Svetlana. Niemand ging ran. War das Zufall? Ich beschloss, mir erst einmal ein Bild von Sülzbachs Haus zu machen.
Gegen vier kam ich in Hackenberg an. Kein Porsche weit und breit. Die Garageneinfahrt war verwaist. Jutta hatte Recht gehabt. Vor der Haustür lag ein Haufen Zeitungen; zum Teil schon deutlich durchgefeuchtet.
Niemand war zu sehen. Ich ging hinter das Haus, wo sich ein Stück Rasen erstreckte - von dunklen Sträuchern begrenzt und von der Nachbarschaft nicht einsehbar. Ich musterte die Rückseite des Gebäudes. Es gab eine sterile, rötlich geflieste Terrasse. Ein weißer Plastikstuhl schien auf jemanden zu warten, der das schöne Wetter genießen wollte.
Ich wandte mich der Garage zu. Hinten gähnte ein kleines Fenster. Ich drückte mich an die Scheibe und schirmte die Augen mit den hohlen Händen ab. Es dauerte eine Weile, bis sie sich an das Dunkel gewöhnt hatten. Dann war ich sicher, dass drinnen Leere herrschte. Sülzbachs Wagen war weg.
Ich stand eine Weile herum und ließ meinen Blick über das blendend weiße Haus mit den bläulichen Ziegeln gleiten. Ein Dachfenster war gekippt. Nicht gerade ein Zeichen dafür, dass jemand für sehr lange Zeit sein Heim verlassen hatte.
Ich nahm in dem Gartenstuhl Platz und dachte nach. Die Aussicht war deprimierend. Nur Wände aus gestutztem Grün. Der Rasen wirkte, als sei er aus Plastik. Ich zog mein Handy heraus und versuchte es noch einmal bei Svetlana. Sie hob ab.
»Maiwald.«
»Remi hier.«
»Ach.« Sie klang ärgerlich. »Ich will nicht mit dir reden.«
»Leg bitte nicht auf. Ich muss dich nur was fragen.«
»Mach’s kurz.«
»Wo ist Tristan Sülzbach? Ist er bei dir?«
»Quatsch. Bei seiner Baronin wird er sein.«
»Wann hast du das letzte Mal mit ihm gesprochen?«
»Sehr witzig.«
»Svetlana, ich muss das wissen. Sülzbach ist verschwunden.«
»Und du kriegst noch dein Honorar, oder was ?« Sie lachte freudlos. »Lass mich doch in Ruhe.«
»Nein. Er ist weg. Niemand weiß, wo er ist. Auch die Rosen-Winkler nicht.« Ich sollte diskret Vorgehen, aber das war mir jetzt egal.
»Was?« Es wirkte echt. Sie war über die Nachricht erschrocken.
»Ja - wie ich es sage. Wann hast du das letzte Mal von ihm gehört?«
»Aber …« Sie schien nachzudenken. Wahrscheinlich rang sie wieder nach Worten, wie ich das schon bei ihr erlebt hatte. »Du warst doch dabei«, sagte sie. »Letzte Woche.«
»Am Samstag. Vor fünf Tagen. Da hast du ihn das letzte Mal gesprochen?«
»Ist etwas passiert?«
»Ich weiß es nicht. Er ist weg, und ich suche ihn.«
»Im Auftrag dieser Tussi«, stellte sie ärgerlich fest.
»Und wenn schon. Kannst du dir vorstellen, wo er sein könnte?«
»Nein.«
»Was genau hat er gesagt, als er dich am Samstag angerufen hat?«
»Ist das so
Weitere Kostenlose Bücher