Rott sieht Rot
auf das Sofa und zündete mir eine Zigarette an.
»Ist sie tot?«
»Remi!«
»Ich meine, weil du gesagt hast, es sei was Schlimmes.«
»So schlimm auch wieder nicht. Aber fast.«
»Du willst doch wohl nicht von mir verlangen, dass ich nach all dem Mist noch mal etwas für deine beknackte Freundin tue?«
Jutta fuhr bei dem Wort »beknackt« leicht zusammen, schluckte es aber.
»Du siehst das falsch. Weißt du, sie hat es ziemlich schwer …«
Ich winkte ab. »Ja, ja ich weiß. Armer Adel. Muss sich immer in den Mittelpunkt spielen. Hat schwere Hochzeiten auszutragen. Und feilscht mit ordentlich arbeitenden Mitmenschen wie ein Marktweib.«
»Sie arbeitet auch ordentlich«, fuhr Jutta auf. »Du kannst von Agnes halten, was du willst, aber auch sie ist eine schwer arbeitende Geschäftsfrau.«
Ich hob eine der leeren Bierflaschen auf und streifte die Asche hinein. »Ich halte von ihr auch, was ich will.«
»Mensch, Remi, mach keinen Mist. Hilf ihr. Hilf uns. Nur dieses eine Mal.« Jutta wischte sich die Haare aus dem Gesicht. »Agnes sitzt unten im Wagen. Ich habe ihr gesagt, dass wir zusammen runterkommen und die Sache besprechen.«
»Da hast du wohl zu viel versprochen.«
Jutta machte den Mund auf und zu. Dann verhärtete sich ihr Blick. »Was willst du? Soll ich dich auf Knien anbetteln?«
»Was kann ich dafür, wenn du zur Gräfin oder so was auf steigen willst? Kriech dieser Tussi nur in den Hintern.«
Das war zu viel. Ich spürte, dass ich zu weit gegangen war. Jutta zitterte am ganzen Körper und wusste anscheinend nicht mehr, was sie sagen sollte. Sie sah sich um und suchte offenbar eine Sitzgelegenheit. Als sie keine fand, lehnte sie sich an die nächste Wand und ließ sich hinuntergleiten. Mitten in ein Häufchen Zigarettenasche, das auf ihrer schwarzen Hose sicher ein helles Muster hinterlassen würde.
»Du bist wirklich ein Idiot«, murmelte sie und starrte vor sich hin.
Ich schmiss die Kippe in die Flasche und ballte die Fäuste. Ich hatte das Gefühl, dass eine Ewigkeit verging. Dann sagte ich: »Erklär mir, worum es geht.«
Sie hob ihren Blick von meinem grauen Teppichboden. »Tristan ist weg.«
»Wie - weg?«
»Verschwunden. Mir ist das schon am Sonntag aufgefallen. Da wollten wir eigentlich telefonieren.«
»Und du hast ihn nicht erreicht?«
»Nein. Und am Montag auch nicht. Dabei waren wir verabredet. Wir wollten nachmittags zusammen ein Bild ansehen, das Agnes von ihm zur Hochzeit bekommen sollte. Ich hatte es in einer Galerie in Köln entdeckt.«
»Und bist du nicht hingefahren? Vielleicht hat er in der Galerie gewartet?«
Jutta stand auf und klopfte an ihrem Hintern herum. »Deswegen wollten wir ja noch mal telefonieren. Um einen Termin auszumachen. Tristan weiß gar nicht, wo diese Galerie ist.«
»Vielleicht ist er auf einer Geschäftsreise?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das hätte er mir gesagt. Am Dienstag bin ich dann zu ihm raufgefahren.«
»Zu seinem Haus?«
»Genau. Und stell dir vor - da quollen die Zeitungen aus dem Briefkasten.«
Ich stand auf. »Mann, ihr habt Probleme. Erst macht ihr so einen Aufstand mit dieser Hochzeit, dann haut der Mann ab.«
»Was meinst du denn mit abhauen?«
Ich verzog den Mund. »Hat dir deine Freundin nicht erzählt, wie die Sache mit der Sprayerin ausgegangen ist? Tristan hatte eine Geliebte. Und die hat sich mit ihren Schmierereien ein bisschen an Agnes gerächt.«
Jutta schüttelte den Kopf. »Jetzt übertreibst du aber. Agnes hat mir gesagt, das Mädchen habe früher mal was mit Tristan gehabt - bevor er Agnes überhaupt kannte. Sie konnte es nicht verwinden, dass er jetzt eine ernsthafte Beziehung eingegangen war.« Sie schien über etwas nachzudenken. »Woher weißt du das eigentlich alles?«
»Ich bin vielleicht doch nicht ein solcher Versager, wie du und deine Freundin glauben.«
»Kein Mensch glaubt, dass du ein Versager bist. Und wenn es so rüberkam … Es tut mir Leid.«
»Dann führ du dich aber auch nicht auf wie die Vasallin von dieser Agnes.«
»Das kommt dir nur so vor. Sie hat wirklich Probleme. Mit ihrem Geschäft. Sie entschuldigt sich auch bei dir.«
»Dann erklär mir mal, warum sie sich nicht die Mühe macht, zu mir ins Büro zu kommen! Warum schickt sie dich vor?«
»Sei froh, dass ich allein gekommen bin, so wie das hier aussieht. Außerdem - sie ist völlig mit den Nerven runter. Weißt du eigentlich, was das bedeutet, wenn diese Hochzeit platzt? Agnes wäre geschäftlich und gesellschaftlich am
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