Rott sieht Rot
der Baronin zu verschönern.«
Svetlana schwieg.
»Hören wir was anderes«, sagte sie dann. »Was hast du denn so?«
Sie holte die Tristan-Kassette heraus, verstaute sie wieder in ihrer Jacke und wühlte in der Ablage unter dem Handschuhfach herum.
»Was ist das denn?«, fragte sie. Ich sah zur Seite. Sie hielt eine der Produktionen von Gregor in der Hand. Auf dem Cover prangten die Worte »We love Jesus«.
»Da hat auch jemand das Bewusstsein des Todes in etwas verwandelt«, sagte ich. »Ich würde sagen, in ein gutes Geschäft.«
»Gregor-Records«, las sie.
»Das haben sie mir da mitgegeben.«
Svetlana schob die Kassette ein, und sofort ertönte ein rockiges Gemisch aus Schlagzeug und heulenden E-Gitarren. Dann setzte ein Chor ein. Diesmal war es die Melodie des alten ABBA-Hits »Waterloo«, dem Gregor mit seinem Reimlexikon Gewalt angetan hatte: »Singt dem Herrn … denn der Gesang, der wird ewig sein … Singt dem Herrn, denn im Gesang sind wir all’ vereint…«
Svetlana verzog das Gesicht und spulte vor.
Als sie die Taste wieder losließ, sprangen wir mitten in eine Frank-Sinatra-Kopie, die sich an »Strangers in the Night« versuchte: »Jesus starb für dich … du musst ihm danken, Sünden sind es, die … uns hier umranken, Sünden, die er uns … vergeben hat…«
Danach kam gleich der nächste Franky-FIit, »My Way«, der in Gregors Werkstatt »Ein Stern« hieß: »Ein Stern … führt durch die Nacht … die dunkle Nacht… er wird uns retten … Der Stern … dem wir gehörn … der in uns lebt… zerbricht die Ketten …«
Svetlana riss die Kassette aus dem Player und schmiss sie auf die Ablage. »Nicht zu fassen«, murmelte sie. »Da erzählt er mir diese Tristan-Geschichte und beschäftigt sich mit so einem Mist. Nicht zu fassen …«
14. Kapitel
Irgendwann kamen wir an einem Schild vorbei, auf dem Marienheide ausgeschildert wurde.
»Hey«, sagte ich. »Frau Beifahrerin. Wo bleiben die Anweisungen? Wir müssen gleich da sein.«
Svetlana orientierte sich auf der Karte. Wir wechselten die Bundesstraße, und es ging durch einen Wald in weiten Kurven bergauf.
»Jetzt kommen wir gleich nach Marienheide«, erklärte Svetlana. »Da musst du am Ortseingang links abbiegen.«
Ich fand die Abzweigung und folgte der Straße hinunter ins Tal. Es wurde so eng, dass wir bei Gegenverkehr Probleme gehabt hätten. Zuerst ging es durch Wohngebiet, dann an Wiesen vorbei. Auf einem Grundstück waren Tretboote aufeinander gestapelt.
»Kommt hier ein See?«, fragte ich.
»Die Lingesetalsperre.« Kaum hatte Svetlana das gesagt, zeigte sich auf der linken Seite eine grünliche Wasserfläche. Sie war schmal wie ein Fluss; auf der gegenüberliegenden Seite war ein Campingplatz.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind? Man hat das Gefühl, die Straße ist gleich zu Ende.«
»Keine Sorge, ich habe alles im Griff. Jetzt müsste gleich Höfel kommen. Dann Holzwipper.«
Wir verließen die Talsperre wieder und fuhren durch hügeliges Gelände, wo sich Wald mit Wiese abwechselte.
»Stimmt, da ist Holzwipper«, sagte ich, als wir wieder auf Häuser stießen. Ich fuhr um eine Kurve, und plötzlich verlief quer eine sehr breite Hauptstraße. In die eine Richtung war Gummersbach, in die andere Meinerzhagen ausgeschildert. Gegenüber führte ein kleines, verlassenes Sträßchen irgendwohin. Hinter dichtem Wald ragte eine Windkraftanlage hervor, die sich eifrig drehte. Die Dinger schienen im Bergischen Land aus dem Boden zu wachsen wie im Herbst die Pfifferlinge.
»Endlich wieder eine richtige Straße. Links oder rechts?«
»Keins von beiden. Geradeaus. Auf den Propeller zu.«
»Ganz bestimmt?«
»Absolut. Fahr schon.«
»Okay - du hast den Plan.«
Ich kreuzte die Hauptstraße und fuhr auf dem einsamen Weg durch Wiesen und flache Hügel weiter. Rechts begleitete uns vor dem Wald ein erhöhter Damm. Eine Bahnlinie. Schließlich wurden wir von einem Holzschild empfangen, das sauber mit Schiefer gedeckt war und den Schriftzug »Börlinghausen« trug.
»Rechts über die Bahnlinie«, sagte Svetlana, und ich bemerkte ein Schild, auf dem »Zur Wupperquelle« stand. Ich folgte der Straße, vorbei an ein paar Häusern. An einer Wand prangte Bierwerbung.
»Wir sind da«, sagte Svetlana, und ich stoppte den Wagen auf einem sandigen Parkplatz. Dahinter erstreckte sich eine ansteigende wilde Wiese mit einzelnen Bäumen und Büschen. Auf der anderen Seite standen flache Gebäude. Ein Tor stand offen, ein Lkw war
Weitere Kostenlose Bücher