Rott sieht Rot
zu sehen. Offensichtlich war das eine Spedition.
»Wo sind wir denn jetzt gelandet?«, fragte ich.
»Nach der Karte müsste hier die Wupperquelle sein.«
»Zeig mal.«
Ich betrachtete den Plan, der auf Svetlanas Schoß lag. Sie tippte auf den Eintrag Börlinghausen. Neben der Straße »Zur Wupperquelle« war ein blauer Punkt eingetragen, von dem aus ein Strich in derselben Farbe nach Westen abzweigte.
»Und wo ist die Quelle nun?«, fragte ich.
»Auf dieser Wiese da, würde ich sagen. Da kommt wohl das Wasser raus.«
»Wie unspektakulär. Aber es stimmt. Wir stehen an der Geburtsstelle des berühmtesten Bergischen Flusses. Also muss es hier in der Nähe auch die so genannte ›Kaisermühle‹ geben. Ist die nicht in der Karte eingezeichnet?«
Svetlana schüttelte den Kopf. »Nicht hier und nicht in den anderen Orten in der Umgebung. Das habe ich schon überprüft.«
»Sind wir nicht eben an einem Gasthaus vorbeigekommen?«
»Das hieß nicht ›Kaisermühle‹, sondern ›Zur Wupperquelle‹. Passt ja auch besser. Was soll überhaupt eine Kaisermühle im Bergischen? So was gehört vielleicht in den Wiener Wald, aber doch nicht hierher.«
Ich nahm den Atlas und sah mir an, wo wir uns befanden. Die paar Häuser hier gehörten verwaltungstechnisch zu Marienheide, bildeten aber ein Dörfchen für sich. Viel Grün war drum herum. Das machte die Karte übersichtlich. Von einer »Kaisermühle« keine Spur.
»Ich gehe in das Gasthaus und frage«, sagte Svetlana.
Ich nickte. »Ich sehe mich solange ein bisschen um.«
Svetlana marschierte schnurstracks die Straße zurück. Ich zog eine Zigarette heraus und steckte sie an. Dann holte ich den Prospekt hervor. Außer dem Text, der von dem angeblichen Gewinn und dem »Gourmet-Restaurant Kaisermühle« handelte, gab es das unscharfe Foto mit dem Fachwerkhaus, dahinter viel Grün. Es war völlig unmöglich, das Bild mit der Realität um mich herum in Übereinstimmung zu bringen. Der Nepp, mit dem die Leute irgendwohin gelockt wurden, um dann als Kanonenfutter für eine Verkaufsveranstaltung zu dienen, begann nicht erst am Ort des Geschehens. Schon der Prospekt war pure Fantasie. Wer sagte überhaupt, dass das Ganze tatsächlich an der Wupperquelle stattfand? Und wer sagte, dass es diese »Kaisermühle« überhaupt gab?
Ich ließ meinen Blick über die Landschaft schweifen, die hier eher trostlos als romantisch wirkte. Als ich mich umdrehte, kam Svetlana zurück.
»Die haben überhaupt nichts von einer ›Kaisermühle‹ gewusst«, sagte sie. »Das wird immer rätselhafter.«
Ich nickte. »Es ist eine so genannte Butterfahrt. Da werden die Leute nach Strich und Faden reingelegt. Und wo sie letztendlich hingekarrt werden, weiß keiner. Sie selbst auch nicht.«
»Und da steht auch noch was von einem Chauffeur«, sagte sie.
»Damit meinen die wahrscheinlich nichts anderes als einen Reisebus.«
»Und jetzt?«
»Man sollte einfach mal fragen, ob es hier nicht noch andere Gastronomiebetriebe gibt, wo so was stattfinden könnte.«
Svetlana lächelte. »Habe ich getan. Sie haben mir genau drei genannt. Die heißen aber alle nicht ›Kaisermühle‹.«
Sie holte einen Zettel aus ihrer Jeanstasche und las vor. »Wir haben die Auswahl, unsere Suche in Güntenbecke, in Genkel oder in Wehe zu beginnen. Abgesehen von Dannenberg. Das ist ein etwas größerer Ort als der hier und liegt südlich.«
»Wir können ja losen«, sagte ich.
»Nicht so pessimistisch! Lass uns mit der Suche beginnen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Sicher. Die Zeit drängt. Aber wir können doch nicht blind über die Dörfer fahren und diese ominöse Mühle suchen.«
»Warum nicht? Wir müssen doch was tun!«
»Wir tun auch was. Wir denken jetzt erst mal nach.«
»Worüber willst du denn nachdenken? Suchen müssen wir!«
Ich schüttelte den Kopf. »Wir verlieren zu viel Zeit. Es muss eine andere Lösung geben.«
»Ich sehe aber keine. Wenn die in der Kneipe nichts wissen, dann weiß hier keiner was. So viel ist ja wohl sicher. Die kennen sich doch hier aus.«
»Trotzdem.«
»Willst du etwa an den Häusern klingeln und die Leute fragen?«
»Das wäre unter Umständen eine Idee«, sagte ich. »Zumindest hätten wir dann noch den Ort im Blick, der hier angegeben ist - die Wupperquelle.«
»Ohne mich. Lass uns weiterfahren.« Svetlana biss sich auf die Lippen. Sie wirkte blass. Ich stieg in den Wagen und zog den Schlüssel ab.
»Ich bin hier der Ermittler. Und ich sage, wir fragen erst
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