Rott sieht Rot
Wangen erwärmten.
Erzähl ihr von dem Porsche! Oder schmeiß sie wenigstens raus! Halt an, besorg ihr ein Taxi …
»Du wirst ja rot!« Sie lachte.
So ein Mist, schrie ich mich innerlich an. Reiß dich zusammen, du Blödmann!
»Dir macht wohl selten jemand Komplimente, oder?«
Ich schluckte. »Dazu gibt es kaum Gelegenheiten«, murmelte ich. »In meinem Job ist man meist auf sich selbst gestellt.«
»Kann ich mir denken. Wie bist du eigentlich Detektiv geworden? Gibt’s dafür eine Ausbildung?«
Der Gedanke an den Porsche war weg. Dafür ertappte ich mich dabei, wie ich von meinen Anfängen als Privatermittler berichtete. Von den Zeiten, in denen ich vor allem weggelaufene Ehepartner ausfindig gemacht hatte.
Moment mal, dachte ich. Was machst du eigentlich jetzt gerade? Haben diese Zeiten vielleicht wieder angefangen?
»Klingt nicht besonders spannend«, warf Svetlana ein. »Aber so ist das wahrscheinlich in allen Berufen, wenn man sie bei Licht betrachtet.«
»Ja. Auch im Musikgeschäft. Bist du jemals in der Firma gewesen, in der Sülzbach gearbeitet hat?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mal ein paar Fotos hingeschickt. Tristan sagte, er würde sich dafür einsetzen, dass sie die Bilder als CD-Cover verwenden. Aber daraus ist nichts geworden.«
»Weißt du, welche Art von Musik dort produziert wird?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, so eine Art Deutschrock. Ich kenne mich mit Musik nicht besonders gut aus. Obwohl - Tristan hat mir ein bisschen was erklärt.«
»Erklärt?«
»Ja. Über klassische Musik.«
»Davon habe ich keine Ahnung.«
»Er schon.« Der triumphierende Gesichtsausdruck war wieder da. Tristan, Tristan über alles.
»Ich denke, er hat sich mit Deutschrock beschäftigt.«
»Ach - er weiß so viel …« Sie blickte gedankenversunken in die Landschaft.
Soso, dachte ich. Eine neue Facette dieses Wunderknaben, über den sich aber niemand ein klares Bild machen konnte. Zumindest keins, das zutraf.
»Weißt du eigentlich, warum er Tristan heißt?«, fragte Svetlana. »Das ist doch ein verrückter Name, oder? Kein Mensch heißt heute so.«
»Wegen ›Tristan und Isolde‹. Das ist eine alte Liebesgeschichte«, fasste ich zusammen, was ich bei dem Besuch bei Margit Sülzbach gelernt hatte.
»Nicht nur das. Es ist eine Oper. Wagner. Und in dieser Oper drückt die Musik nichts als Liebe aus. Liebe in Tönen - Wahnsinn!«
»Das erklärt aber immer noch nicht, woher Tristan seinen Namen hat«, wandte ich ein.
»Seine Mutter war Opernsängerin, und sie liebt diese Oper.«
»Hast du sie mal kennen gelernt? Die Mutter, meine ich.«
»Nein. Pass auf. Gleich wirst du verstehen, was ich meine.«
Svetlana griff in die Innentasche ihrer Jacke und holte eine Musikkassette hervor. Sie schaltete das Radio ein und steckte die Kassette in den Spieler. »Ich bin sicher, dass du so was noch nie gehört hast.« Sie lehnte sich zurück und schwieg.
Ein paar Sekunden vernahm ich nichts als das Brummen des Diesel-Motors. Dann schälte sich ein matter Ton aus den Nebengeräuschen; er wurde lauter und mündete nach einer schier endlosen Verzögerung in weitere Klänge. Nach und nach, immer wieder mit Pausen zwischen den Phrasen, baute sich ein sehr langsames Musikstück auf.
»Das ist das so genannte ›Tristan-Vorspiel‹«, erklärte Svetlana. »Es bringt die Sehnsucht zum Ausdruck, die Tristan und Isolde beherrschten. Es ist natürlich eine unglückliche Liebesgeschichte, die da erzählt wird.«
Ich sagte nichts. Wäre ich lockerer gewesen, hätte ich eine Bemerkung über die doppelte Bedeutung des Wortes Vorspiel gemacht, aber das kam mir nicht über die Lippen. Die Musik entlud sich plötzlich in einem orchestralen Ausbruch, der die Fahrgeräusche endgültig in den Fiintergrund drängte.
Ein Hinweisschild zeigte an, dass wir uns Wipperfürth näherten. Kurz darauf tauchte auf der rechten Seite ein Möbelhaus auf, dann überquerten wir die Wupper, die hier »Wipper« hieß. Von nun an führte die Straße den Fluss entlang, der hier gerade mal gute zwei Meter breit war und uns entgegenfloss. Die Musik wurde zu einem matten Klangteppich.
»Tristan und Isolde sind schon deswegen ein unglückliches Liebespaar, weil ihre Liebe mit Mord und Totschlag anfängt«, sagte Svetlana.
»Tatsächlich?«
»Tristan bringt Isoldes Bräutigam um. So beginnt es.«
»Normalerweise enden Geschichten so. Geht es um Eifersucht?«
»Nein - am Anfang kennt Tristan Isolde noch gar nicht. Die
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