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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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zurückzukommen - was haben Sie da genau gemacht?«
    Er klappte den Kofferraum zu. »Ein bisschen dekoriert. Die haben da heute irgendeine Veranstaltung.«
    »Haben Sie dort Autobahnschilder aufgehängt?«
    Er grinste. »Nicht direkt. Wir haben ja auch die Möglichkeit zur individuellen Beschriftung. Das ist preiswert. Aber - pst.« Er legte den Zeigefinger vor den Mund.
    Der Fall war klar: ein bisschen Schwarzarbeit als Dekorateur. Mich interessierte das nicht weiter.
    »Keine Sorge. Erklären Sie mir jetzt bitte den Weg. Ich hab’s nämlich eilig.«
    *
    Als ich in den Wagen stieg, redete Svetlana wieder mit mir. »Mann, du hast dir ja Zeit gelassen«, stellte sie fest.
    »Ging nicht schneller. Dafür sind wir jetzt aber auch gleich da.«
    »Bist du sicher?«
    »Absolut. In dem Gasthaus vorhin habe ich den dörflichen Geheimdienst angezapft. Die Leute hier wissen alles, was in ihrer Gegend passiert.
    Man muss es ihnen nur aus der Nase zu ziehen wissen.« Ich erzählte ihr von Breitscheid und seinen nebenberuflichen Aktivitäten.
    »Eigenartige Sachen sind das, die hier abgehen. Aber egal. Wenn’s uns hilft.«
    Wir fuhren wieder auf dem winzigen Sträßchen durch den Wald. Mittlerweile war es kurz vor sechs. Ich hoffte, dass wir nicht zu spät kamen.
    Breitscheids Wegbeschreibung war nicht schwer zu kapieren gewesen. Es ging nur ein Stück in Richtung der nächsten Ortschaft, die Redlendorf hieß. Vorher sollte es einen kleinen Schotterweg geben. Dort war die so genannte Mühle. Ich fand die Stelle und fuhr rechts ran.
    »Hier soll das sein?«, fragte Svetlana.
    »Angeblich. Ich würde sagen, den Rest gehen wir zu Fuß.«
    »Wenn es sein muss.«
    Wir stiegen aus und marschierten etwa hundert Meter durch den Wald. Nach einer Kurve kam ein niedriges, flaches Gebäude mit Eternitdach, das auf den ersten Blick einer kleinen Lagerhalle ähnelte. Die Wände waren sicher einmal weiß gewesen; herablaufendes Regenwasser und die Feuchtigkeit des Flusstales hatten die Flora des Bergischen Landes ermuntert, sich darauf niederzulassen. Das Ergebnis waren grünliche Bahnen unter den niedrigen Fenstern.
    Breitscheids Dekorationsarbeit sollte davon ablenken, dass die Bude völlig herunterkommen war. Große schwarze Buchstaben am Dach entlang bildeten die Worte KAISERMUHLE. Offenbar war in der Buchstabensammlung kein Umlaut vorhanden gewesen. An der Stirnseite stand eine Klapptafel mit einem stilisierten grinsenden Koch, wie man sie von Imbissbuden kennt. Jemand hatte »Wilkomen« daraufgekrakelt und es auch dabei mit der Rechtschreibung nicht so genau genommen.
    Davor stand auf dem matschigen Vorplatz ein kleiner Reisebus mit der Aufschrift »Wolfi’s Weltreisen«. Hinter der dreckigen Scheibe saß ein Mann und las Zeitung. Zum Bild des so genannten Gourmet-Restaurants gesellte sich Rummtata-Musik, die aus der Baracke schepperte. Als wir näher kamen, wurde ein Passat Kombi mit Leverkusener Kennzeichen sichtbar, der hinter dem Bus parkte. Neben den Schlammspritzern und an den Stellen ohne Rost war er rot.
    Ich öffnete eine Tür aus gelblichem, geriffeltem Glas. Die Musik wurde schlagartig lauter. Innen gab es ein paar Biertische mit Bänken; darauf saßen an die zwanzig ältere Personen und schunkelten verhalten. Gläser mit Bier, Wasser und Cola wackelten. Die Leute starrten einen dunkelhaarigen Mann an, der vorn stand und eine Art Vorturner war. Er trug eine Lodenjacke und eine knielange Lederhose. Offenbar hatte er sich trachtentechnisch in der Region vertan und bergisch mit alpenländisch verwechselt. Er klatschte zum Takt der Musik fröhlich in die Hände und wanderte dabei vor einem breiten Tisch hin und her, auf dem verschiedene Produkte aufgestellt waren.
    Ich sah einen Kochtopf, irgendwelche Messersets und ein paar Stofftiere, wie man sie an den Losbuden auf dem Rummelplatz gewinnen kann. Die Wand hinter dem Tisch bestand aus Glasbausteinen, durch die graues Licht sickerte. Die Musik kam aus einer Minianlage, die auf dem gekachelten Fußboden stand. Der Ländler-Takt wurde vom unregelmäßigen Blinken einer dürren Lichterkette durchkreuzt, die vor den Glasbausteinen hing.
    Svetlana und ich quetschten uns in die hintere Reihe. Der Mann warf uns einen irritierten Blick zu, machte aber unbeirrt mit seiner Show weiter. Aus dem Klatschen wurde ein Dirigieren, und auf sein Kommando brach die Musik plötzlich ab.
    »Jaaaa, das hat doch unsere Laune wieder so richtig nach oben gebracht, oder?«, rief er dem Publikum entgegen,

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