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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Wird ja auch Zeit. Junge Dame, ich kann Ihnen sofort helfen.« Wieder hob er die Hände, als wolle er zaubern. »Nicht tausend Euro, nicht siebenhundert, nicht sechshundert, nicht fünfhundert. Ihr kriegt dieses sechzigteilige Besteck, das normalerweise dreitausend Euro kostet, dieses Besteck mit zwölfmal Messer, zwölfmal Gabel, zwölfmal Schere - quatsch, war nur ein Witz -, also mit Messern, Gabeln, großen und kleinen Löffeln, mit kleinen Gabeln und so weiter für sage und schreibe vierhundertneunzig.«
    Niemand traute sich, etwas zu sagen. Der Mann stürmte an den Tisch, wo er das angebliche Riesenschnäppchen aufgebaut hatte, drehte sich zum Publikum und brüllte: »Ist euch das etwa zu teuer? Vierhundertneunzig?«
    »Wir haben doch schon ein Besteck«, sagte die Ehefrau von eben leise.
    »Na und?«, brüllte der Mann dazwischen und plötzlich wich sein Enthusiasmus langsam aufkeimender Aggressivität. »Was habt ihr denn zu verlieren? Ich biete euch eine Geldanlage! Dieses Besteck ist in Handarbeit gefertigt. Dafür gebe ich euch eine Garantie! Kauft es, und ihr könnt es morgen Weiterverkaufen - für das Doppelte.« Er ließ seinen Blick in die Runde schweifen, überging Svetlana und mich aber geflissentlich.
    »Seid nicht blöd! Ihr habt hier die Chance zu gewinnen. Nicht zu verlieren!«
    Keine Reaktion.
    »Na gut, na gut na gut! Ich zwinge niemanden«, sagte er und stopfte alles wieder in den Karton. Er wirkte wie eine betrogene Ehefrau, die zurück zu ihrer Mutter will und dafür den Koffer packt. »Wer nicht will, der hat schon.«
    Ich überlegte, wie er auf diese Art seinen Kram unters Volk bringen wollte, als eine Stimme von der anderen Seite des Raumes ertönte: »Zeigen Sie das Besteck mal her.«
    Der Mann hob den Kopf und hielt die Hand ans Ohr. »Habe ich da einen Ruf vernommen?«, fragte er. »Hat mich da jemand gerufen? Ist da jemand mit Sinn für gute Geschäfte?«
    »Ich kaufe das Besteck«, sagte eine Frau, die ich auf Mitte vierzig schätzte und die trotz des warmen Oktobers einen dunklen Wintermantel trug. »Auf so ein Schnäppchen habe ich schon lange gewartet«, erklärte sie und zückte ihre Handtasche.
    Der Starverkäufer spielte den Glücklichen. »Sie werden Ihre Wahl nicht bereuen, gnädige Frau«, sagte er, und sein Grinsen wurde noch breiter, als die Käuferin die Handtasche auf den Tisch stellte, eine Brieftasche herausholte und ohne zu zögern Geld auf den Tisch zählte.
    Als sie den vierten Hunderteuroschein und einen Fünfziger hingeblättert hatte, legte der Mann die Hand auf das Geld. »Stopp. Wer bar zahlt, macht hier Schluss.« Er blickte auffordernd in die Runde. »Vierzig Euro Nachlass. Wenn das kein Angebot ist. Weiter kann ich wirklich nicht. Wirklich, wirklich, wirklich!«
    Er wandte sich wieder dem Warentisch zu, der vorn stand. Währenddessen packte die Frau, die gerade vierhundertfünfzig Euro losgeworden war, den Rest des Geldes zurück in die Tasche. Offenbar hatte sie wenig Platz darin und sortierte den Inhalt auf dem Tisch. Das Erste, was sie herausholte, war ein Autoschlüssel mit einem roten Anhänger, der deutlich das VW-Emblem zeigte.
    Der Verkäufer inszenierte vorn weitere Überraschungen. Er zauberte einen zweiten Karton hervor, der angeblich dreitausend Euro enthielt, und kämpfte weiter um Aufmerksamkeit. Plötzlich zeigte sich auch das Ehepaar am Fenster interessiert. Das Eis war offenbar gebrochen.
    »Geh zum Wagen und warte auf mich«, flüsterte ich Svetlana zu. Sie wollte etwas fragen, doch ich wehrte ab. »Mach schon. Wir müssen wahrscheinlich gleich abhauen.«
    »Aber wir wollen doch diese Hanna Schneider finden.«
    »Ich habe sie schon gefunden und werde jetzt mit ihr reden.«
    »Was? Wo denn?«
    »Jetzt geh endlich.«
    Svetlana verschwand. Ich stand auf und steuerte die Bierbank an, wo die Frau mit der Handtasche saß. Der Verkäufer beobachtete mich, während er noch einmal darauf einging, dass das Goldbesteck tatsächlich handgearbeitet sei und aus Süddeutschland komme - aus derselben Manufaktur, in der auch die Fürsten von Thurn und Taxis ihre Bestecke herstellen ließen.
    »Aber die sind doch pleite«, warf ein Mann aus dem Publikum ein.
    »Eben«, sagte der Verkäufer. »Deshalb hat die Manufaktur auch wenig zu tun. Und ihr, meine Freunde, profitiert davon. Kommt nach vorn und schaut es euch an. Los, los, los - nur keine falsche Bescheidenheit.«
    Ein paar standen tatsächlich auf, und der Verkäufer war nun damit beschäftigt, die

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