Rott sieht Rot
wedelte damit vor ihrer Nase herum. »Was Sie mit den Leuten machen, ist Irreführung. Unter Vortäuschung von Gewinnchancen locken Sie arglose Leute in diese Bruchbude und ziehen ihnen das Geld aus der Tasche. Und was ist mit den Russen in Ihrer Wohnung? Ist das ein privates Asylantenheim oder was?«
»Es sind Verwandte meines Mannes, die hier zu Besuch sind.«
»Mag sein. Aber was in dieser so genannten ›Kaisermühle‹ abläuft, ist eine Schweinerei.« Ich kickte gegen einen Schotterstein. Er rollte ein paar Meter und landete in einer Pfütze. »Was haben Sie Sülzbach erzählt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Er kam in unsere Wohnung. Der Bekannte, den er suchte, war zufällig da. Es ist ein alter Freund von Vassilij. Er und mein Mann haben sich in Russland kennen gelernt.«
»Wie heißt der Bekannte nun?«
»Rob Reinsdorf. Er wohnt auch in Leverkusen.«
»Na also. Und dieser Rob Reinsdorf war bei Ihnen, als Sülzbach kam. Gut. Was ist dann passiert?«
»Rob wollte den Mann abwimmeln, aber der ging nicht.«
»Und weiter?«
»Sie haben sich ins Wohnzimmer gesetzt und eine Weile geredet.«
»Worüber?«
»Weiß ich nicht. Ich war gerade dabei, mit Vassilij die Verkaufsveranstaltung hier vorzubereiten. Außerdem war die Tür zu. Irgendwann ist dieser Sülzbach dann wieder gegangen. Rob wollte über die Sache nicht reden.«
»Kann es sein, dass es dabei um Geschäfte ging?«
»Was meinen Sie mit Geschäften?«
»Zum Beispiel so was wie das, was hier abläuft. Leuten irgendwelchen Mist andrehen.« Plötzlich fiel mir etwas ein. »Haben Sie auch schon mal mit Edelsteinen gehandelt?«
»Edelsteine?«
»Wenn Sie Bestecke anbieten, die angeblich aus Gold sind, dann könnte es doch sein, dass Sie den Leuten wertlosen Schmuck andrehen. Oder Edelsteine. Zum Beispiel Rubine.«
»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«
Ich warf meine Zigarette weg. »Also gut. Was für Geschäfte macht dieser Rob Reinsdorf?«
»Das müssen Sie ihn schon selbst fragen.«
»Das werde ich. Darauf können Sie sich verlassen. Und jetzt geben Sie mir seine Adresse.«
»Ich habe keine Ahnung, ob er nicht gerade auf einer Geschäftsreise ist…«
»Keine Sorge. Wenn ich nicht weiterkomme, wende ich mich wieder an Sie. Oder an Ihren Mann.«
»Bitte nicht«, sagte sie. »Das gibt schon Ärger genug, weil er uns zusammen gesehen hat.«
»Ist er so eifersüchtig?«
»Er mag es nicht, wenn Beobachter bei unseren Verkaufsveranstaltungen auf tauchen.«
»Kein Wunder. Wenn Sie eine Bruchbude als Gourmet-Restaurant ausgeben und die Leute ausnehmen.«
»In der Werbung wird überall gelogen. Oder haben Sie schon mal erlebt, dass Sie eine Flasche Putzmittel öffnen und ein Flaschengeist erscheint, der ihr ganzes Haus putzt?«
»Das erwartet ja auch niemand. Jetzt sagen Sie mir schon, wo Reinsdorf wohnt.«
Sie nannte eine Adresse, und ich notierte sie auf einem Zettel.
Dann stapfte ich durch den Wald davon und hörte, wie die Musik hinter mir immer leiser wurde.
*
Svetlana hatte im Auto gewartet. Ich startete den Wagen. Es dämmerte bereits, die Uhr zeigte halb acht. Noch zwanzig Stunden bis zur Hochzeit. Aber immerhin hatten wir jetzt eine Spur.
»Das heißt, Tristan hat diesen Rob Reinsdorf in dem Auto von Hanna Schneider gesehen? Zufällig?«, fragte Svetlana.
»So hört sich das an«, sagte ich. »Kennst du denn jemanden, der Reinsdorf heißt? Hat er vielleicht mal jemanden mit diesem Namen erwähnt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Glaubst du, dass er auch was mit solchen Veranstaltungen hier zu tun hat?«
»Weiß ich nicht. Hanna Schneider hat mir nicht verraten, welche Art von Geschäften dieser Reinsdorf macht.«
»Wie bist du eigentlich zwischen all den Rentnern da drin darauf gekommen, wer Hanna Schneider ist?«
»Ich war mir nicht ganz sicher, aber als sie den Autoschlüssel auspackte, hatte ich so ein Gefühl. Die anderen waren ja alle mit diesem kleinen Bus gekommen.«
»Dem so genannten Privatchauffeur.«
»Genau. Außerdem war ziemlich klar, dass sie und der Typ vorn unter einer Decke stecken. Als er sein Besteck nicht los wurde, musste sie als interessierte Käuferin einspringen. Alter Trick.«
»Ich wundere mich, dass es überhaupt Leute gibt, die so was mitmachen.«
»Viele Leute vertrauen zu sehr auf das, was auf Papier gedruckt steht«, philosophierte ich. »Du schickst tausend Leuten einen bunten Zettel, auf dem geschrieben steht, sie hätten einen dicken Batzen Geld gewonnen, und es gibt
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