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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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völlig unterschätzt.«
    Reinsdorf stand auf. Eine Pause entstand. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter.
    »Ein Problem habe ich jetzt natürlich«, sagte er. »Was soll ich mit Ihnen beiden machen? Am Anfang habe ich noch geglaubt, dass Sie nicht mitbekommen haben, was hier läuft. Aber jetzt…«
    Es waren seine letzten Worte. Hinter ihm krachte die Scheibe auseinander, als habe eine Riesenfaust von draußen dagegen geschlagen. Der Scherbenregen kam uns entgegen wie eine Flutwelle. Die Hunde begannen alle gleichzeitig zu kläffen. Reinsdorf lag plötzlich mit dem Gesicht voran auf dem Schreibtisch. Zwischen seinen schütteren Haaren war ein dunkelroter Fleck.
    Ich riss Svetlana mit nach unten und griff gleichzeitig nach meiner Pistole, die noch immer auf dem Schreibtisch lag. Ich schüttelte die Glassplitter ab und wälzte mich zur Seite.
    Die Tür flog auf. Koroliow stürmte herein. Ich packte mit der einen Hand meine Waffe, mit der anderen zog ich so fest ich konnte an Svetlanas Arm. Koroliow versperrte die Tür nach draußen, und so blieb mir nichts anderes übrig, als durch die zerborstene Glasscheibe zu entkommen. Svetlana, die sich nur widerwillig bewegen ließ, war schwer wie ein Klotz. Die Hunde sprangen mich an, und ich brauchte plötzlich beide Hände.
    »Hau ab!«, rief ich Svetlana zu, und ich sah, wie sie durch die zerstörte Terrassentür davontorkelte. »Mach schneller«, schrie ich ihr hinterher und versuchte, mir die Hunde mit Tritten vom Leib zu halten.
    Plötzlich durchzuckte mich ein Schmerz an der rechten Wade. Eine von den Tölen hatte mich erwischt. Voller Panik entsicherte ich die Pistole, drehte mich um und schoss. Ich feuerte panisch das ganze Magazin leer. Vassilij stand die ganze Zeit dabei wie eine Statue und verfolgte mit glasigen Augen das Geschehen.
    Ich machte, dass ich wegkam. Von der Terrasse gelangte ich in dunkles Nichts - offenbar der Garten. Ich hielt mich rechts, um das Haus zu umrunden. Am Eingang sah ich im Schein der Lampe die anderen Typen, die zu der Bande gehörten. Ich blieb stehen. In meinen Ohren rauschte es.
    Sie hämmerten gegen die Haustür; schließlich öffnete Vassilij, und sie stürmten hinein. Der Weg zu dem angrenzenden Lagergelände und dem großen Tor war frei. Ich rannte so schnell ich konnte an dem Schrottberg vorbei und gelangte wieder auf die Straße. Der Golf stand nicht mehr an der Mauer, sondern etwas weiter in Richtung der Maisfelder. Offenbar hatte Svetlana versucht, damit zu fliehen, als Reinsdorf mit seinen Leuten kam. Ich hastete zu dem Wagen. Es war niemand darin.
    »Svetlana«, rief ich und lauschte. Der Lärm von der Autobahn schien plötzlich viel lauter zu sein, ein unablässiges Brausen und Rauschen. Verdammt, wo war sie?
    Plötzlich raschelte etwas zwischen den Maisstauden. Ich marschierte in das Feld hinein.
    »Wo bist du?«, rief ich.
    »Hier«, kam es aus der Dunkelheit. Svetlanas Stimme war ganz nah. Es raschelte immer noch; sie ging offenbar weiter. Ich sah nichts.
    »Bleib stehen!«, rief ich. »Wir dürfen uns nicht verlieren.« Ich bog die Pflanzen zur Seite. »Wo bist du?«, fragte ich noch mal. Plötzlich spürte ich ihre Hand an meinem Arm. Ich nahm sie; sie war eisig.
    »Stopp, lass uns erst mal hier bleiben«, sagte ich. Meine Wade schmerzte. Es war absolut dunkel. Ich hörte Svetlana atmen, doch ich konnte sie nicht sehen. Ich bemühte mich, möglichst tief Luft zu holen, um das Herzrasen loszuwerden. Dabei nahm ich Svetlanas feinen Duft wahr, der sich mit dem Geruch nach trockenen Pflanzen und Erde vermischte.
    »Willst du dich vielleicht hinsetzen?«, fragte ich. Ich zog mein Jackett aus. »Du kannst dich hier draufsetzen.«
    »Es geht schon.« Man hörte ihr an, wie sie sich zusammenriss. Dann wurde ihre Stimme wieder weicher, ängstlicher. »Ist dieser Reinsdorf tot?«
    »Ja, ziemlich sicher.«
    »Was ist da drin passiert?«
    »Jemand hat ihn abgeknallt. In dem Moment, als er aufstand. Als hätte man ihm auf gelauert.«
    »Mein Gott, wie schrecklich!«
    Die Pflanzen raschelten; offenbar hatte Svetlana den Drang sich zu bewegen. Ansonsten war es still bis auf die Klangwolke von der Autobahn. Plötzlich hörte ich ein leises Schluchzen.
    Ich streckte den Arm aus und berührte Svetlana, wahrscheinlich an der Schulter. Sie kam mir sofort entgegen und drängte sich an mich. Sie zitterte.
    »Was sollen wir denn jetzt machen? Erschießen sie uns jetzt auch?« Sie schluchzte

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