Rott sieht Rot
Berge.
Während ich im Dunkeln noch sinnierte, ob dieser Reinsdorf ein Hehler oder selbst Einbrecher war, hörte ich ein Geräusch, das mir gar nicht gefiel. Metallisches Quietschen, als das Tor draußen geöffnet wurde. Männerstimmen. Dazwischen das tiefe Brummen eines schweren Dieselmotors.
Ich orientierte mich kurz mit dem Feuerzeug und rannte zurück auf die Galerie. Als ich den kleinen Raum betrat, durch den ich hereingekommen war, ertönte schweres Scheppern. Offenbar wurde unten ein Rolltor geöffnet. Dann ging in der gesamten Halle das Licht an.
Ich spähte durch das kaputte Fenster. Zwei Männer waren damit beschäftigt, die Hunde an die Leine zu nehmen. Ein anderer stieg gerade aus dem Führerhaus eines Lkws. Ein anderer Wagen hatte schon geparkt. Es war Hanna Schneiders Passat. Und das war noch nicht alles. Einer der Männer mit den Hunden hatte Svetlana gepackt, die widerwillig mit in Richtung der Lagerhalle ging.
Im nächsten Moment ertönten Schritte auf dem Metall vor der Tür. Jemand kam herein und drückte auf den Lichtschalter, den ich vorhin übersehen hatte. Koroliow, der Starverkäufer aus der Mühle, kam herein. Er hatte eine Pistole in der Hand.
Ich hob die Arme. Als er mich sah, grinste er über das ganze Gesicht.
»Machen Sie keinen Fehler«, sagte ich. »Sie wollen doch weiterhin Ihre Goldbestecke verkaufen. Das könnte schwierig werden, wenn Sie wegen Mordes gesucht werden.«
»Red keinen Stuss«, sagte er und ging ein paar Schritte in den Raum hinein. Dann deutete er mit dem Pistolenlauf auf die Tür. »Los, du gehst vor.«
Ich marschierte wieder den ganzen Weg hinunter in die Halle - diesmal mit Beleuchtung. Ich spielte den Erstaunten. »Was habt ihr denn hier alles so gelagert?«, fragte ich.
»Schnauze halten«, kam es von hinten.
Koroliow dirigierte mich die Treppe hinunter. Unten kamen gerade die Typen mit den Hunden und Svetlana herein. Die Tiere rissen an ihren Leinen und hechelten.
»Remi«, rief Svetlana.
»Sie soll mitkommen«, sagte Koroliow zu den beiden Typen. Er nahm das Bündel Hundeleinen in die freie Hand. »Ihr schaut nach, ob sich hier noch jemand rumtreibt. Wir gehen rüber.«
Svetlana und ich wurden durch einen Seitenausgang hinaus auf das Gelände geführt und gelangten auf einen schmalen, gefliesten Weg, der auf das Wohnhaus zulief. Vor der geschlossenen Haustür blieben wir stehen.
»Macht auf, es ist nicht abgeschlossen«, sagte Koroliow.
Ich drückte auf die Klinke. Wir gelangten in einen schmalen Gang; dann in ein Arbeitszimmer. Eine Stehlampe gab gedämpftes Licht. Ein Mann mit zerfurchten Gesichtszügen saß an einem Schreibtisch aus dunklem Holz.
Koroliow machte die Hunde los, die sich sofort lammfromm im Raum verteilten. »Alles klar, Vassilij«, sagte der Mann. »Warte draußen.«
Koroliow verschwand und schloss die Tür.
»Herr Reinsdorf«, sagte ich.
Der Mann nickte und sah uns eine Weile mit wässrigen Augen schweigend an. Dann beugte er sich vor. »Glauben Sie wirklich, Hanna ist so dämlich und sagt ihrem Mann nicht, dass Sie sie über mich ausgequetscht haben?«
Ich blickte hinüber zu Svetlana. Sie sah mitgenommen aus.
»Wenn Sie wollen, können Sie sich setzen. Hinter Ihnen stehen zwei Stühle.«
Ich zog die Sitzgelegenheiten heran, und dann saßen wir vor dem Schreibtisch wie zwei Kandidaten bei einem Bewerbungsgespräch. Die Wand hinter Reinsdorf war aus Glas. Es war eine große Terrassentür. In der Schwärze dort draußen zogen langsam kleine Lichter vorbei. Das musste die nahe Autobahn hinter dem Maisfeld sein.
Reinsdorf lehnte sich zurück. »Sie haben jetzt die Chance, mir zu sagen, was Sie von mir wollen.«
»Wo ist Tristan?«, fragte Svetlana schnell. Ihre Stimme zitterte leicht.
Reinsdorf reagierte nicht.
»Wir sind auf der Suche nach jemandem«, erläuterte ich. »Tristan Sülzbach. Sie hatten Kontakt zu ihm - vor etwa einer Woche.«
Reinsdorf wischte sich über die Stirn. Dann griff er in seine Jackentasche, holte einen Zigarillo hervor und zündete ihn an.
»Ich hatte mit Sülzbach vereinbart, dass er niemandem etwas erzählt«, sagte er. »Und jetzt muss ich erfahren, dass er sich nicht daran gehalten hat.«
»Was erzählt?«, fragte Svetlana.
Es war besser, wenn ich hier die Fragen stellte. Ich legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie zuckte nervös zurück und sah mich dann erschrocken an. Dann verstand sie.
»Das Mädchen ist etwas aufgeregt«, sagte ich. »Sie ist Sülzbachs Freundin.«
Reinsdorf zog
Weitere Kostenlose Bücher