Rott sieht Rot
passiert. Ohne Vorwarnung. Ich dachte, wir wären als Nächste dran.«
»Erzählen Sie doch mal, wer da noch gewesen ist.«
Ich berichtete, wie ich in das Lager eingedrungen war und dann Reinsdorfs Männer auf das Grundstück kamen. »Einer von Ihnen heißt Vassilij mit Vornamen«, sagte ich am Schluss. »Reinsdorf schien eng mit ihm befreundet zu sein.«
Broich dachte einen Moment nach. »Haben Sie eine Waffe, Herr Rott?«, fragte er dann.
»Ja, aber die hatte ich nicht dabei.«
»Brechen Sie normalerweise unbewaffnet in irgendwelche Lager ein?«
»Ich wusste nicht, dass es zu solchen Entwicklungen kommen würde. Glauben Sie etwa, ich hätte Reinsdorf auf dem Gewissen?«
»Ihre Erklärungen gefallen mir nicht. Sie verschweigen etwas.«
»Aber es ist gewesen, wie ich sagte.«
»Ist es so gewesen?«, fragte er diesmal nicht mich, sondern Svetlana. Sie nickte nur. Sie sah noch genauso blass aus wie vor dem Gespräch.
»Sie haben unsere Personalien«, sagte ich. »Ich würde gern meinen Fall weiterverfolgen.«
»Interessiert mich nicht.«
»Sagen Sie das nicht. Sie wollen doch zum Beispiel sicher gern wissen, wie Sie an diesen Vassilij herankommen.«
Broich nickte. »So, so. Daher weht der Wind. Sie wollen mir einen Deal anbieten, was?«
»Wenn Sie es so nennen wollen.«
Er stand auf. Wir konnten seinen Mantel in ganzer Schönheit bewundern. Das Ding war eine Art Trenchcoat, wie man ihn von Columbo kennt, nur etwas fleckiger. »Hören Sie mal zu, Rott. So was gibt’s bei mir nicht. Mir ist völlig egal, ob Sie Detektiv sind oder nicht. Sie haben die Behörden bei Ermittlungen zu unterstützen. Wenn nicht, machen Sie sich strafbar.«
»Ist mir bekannt.«
»Dann sind wir uns ja einig. Also - wie kommen wir an diesen Vassilij ?«
Ich sah ihn unschuldig an. »Keine Ahnung.«
Er stutzte. »Keine Ahnung?«
»Genau.«
»Aber Sie haben doch gerade gesagt…«
»Was? Was soll ich gesagt haben? Ich weiß gar nichts.«
Es knallte ohrenbetäubend. Broich hatte sich vorgebeugt und mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen. Die Tür ging auf. Ich wandte mich um. Ein erschrocken aussehender Uniformierter war hereingestürmt.
»Alles in Ordnung«, sagte Broich ruhig. Der Mann ging wieder.
»Glauben Sie nicht, dass Sie Zeit verlieren?«, fragte ich.
Broich setzte sich wieder. »Sagen Sie mir, was Sie für einen Deal machen wollen.«
Es war halb zwei, als wir in meinen Wagen stiegen. Broich hatte netterweise veranlasst, dass uns ein Polizeifahrzeug zurückbrachte.
»Ich bin fix und fertig«, sagte Svetlana, als ich die Fahrertür zuknallte. »Das war schrecklich.« Sie kaute nervös an ihrer Unterlippe und blickte auf die verlassene Straße, als könne jeden Moment etwas Böses auftauchen - ein bissiger Hund, ein Mann mit einem Revolver oder sonst was.
»Es ist vorbei. Ich bringe dich nach Hause.«
»Ja«, sagte sie. »Nur weg von hier.«
Der Deal mit Broich hatte darin bestanden, dass ich ihm die vollständige Adresse von Vassilij Koroliow lieferte und er uns dagegen wissen ließ, ob eine gewisse Petra Ziebold im Polizeicomputer vorkam.
Der Versuch wurde zum Treffer. Ich erfuhr ihre Personalien und ein bisschen mehr. Sie war Jahrgang 1955. 1990 war sie angezeigt worden, als sie in einer Siegburger Parfümerie etwas gestohlen hatte.
Sie hatte damals in dem Laden gearbeitet. In den Unterlagen war ihr damaliger Wohnort angegeben, ebenfalls Siegburg - deckungsgleich mit Reinsdorfs Geschichte.
Das war aber auch schon alles. Es gab kein Bild, keine Beschreibung. Ziemlich wenig. Immerhin hatten wir zwei Adressen - die der Parfümerie und die von Petra Ziebolds damaliger Wohnung.
»Glaubst du, dass du ihre Spur findest?«, fragte Svetlana.
»Ich muss es zumindest versuchen. Morgen fahre ich nach Siegburg.«
Ich fädelte mich auf die Autobahn und ging auf die linke Spur.
Svetlana schüttelte den Kopf. »Wenn das alles nur ein Riesenzufall ist? Wenn Tristan gar nicht nach der Frau sucht?«
»Er hat sich mit Reinsdorf getroffen. Und sie haben über die Sache geredet.«
»Aber heißt das denn auch, dass Tristan deswegen verschwunden ist? Weißt du, Remi - nichts gegen deine Erfahrung als Detektiv, aber …«
»Was aber?«
»Du bist von Anfang an davon ausgegangen, dass dich die Autonummer von Hanna Schneider weiterbringt.«
»Hat sie ja auch.«
»Hat sie nicht. Letztendlich hast du nur rausgekriegt, was hinter der geheimnisvollen Autonummer steckte. Kein Mensch weiß, ob Tristans Verschwinden damit
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