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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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hinterher zum Empfang zu fahren.
    Jutta wurde als Erste auf mich aufmerksam. »Remi - wie siehst du denn aus?«, fragte sie, als sei ich der Knecht aus dem Schweinestall, der sich zur Kaiserkrönung geschlichen hatte.
    Mir wurde klar, dass ich tatsächlich ziemlich abgerissen aussah. Der Mann, mit dem sich Jutta unterhalten hatte, rümpfte die Nase. Vielleicht strahlte ich tatsächlich einen gewissen Geruch aus, immerhin hatte ich in meinen Klamotten übernachtet.
    Ich kümmerte mich nicht um Jutta, sondern preschte weiter zwischen die Gäste. »Was soll denn das?«, empörte sich eine ältere Dame, die ich aus Versehen anrempelte, als ich mich zur Kirchentür durchdrängelte.
    »Herr Rott! Was fällt Ihnen ein?« Das war die Stimme der Baronin. Ich machte, dass ich weiterkam.
    Als ich die Kirche erreichte, packte mich jemand am Arm. Ich wandte mich um. Das runzelige Gesicht unter der dreckigen Mütze kam mir bekannt vor.
    »Volker, was machst du denn hier?«
    Er grinste. »Gesellschaftliches Ereignis. Da muss man doch dabei sein! Manchmal geben sie einem auch was. Und - hast du die Kleine auf dem Fahrrad gekriegt?«
    »Fast«, sagte ich. »Aber ich habe jetzt keine Zeit.«
    Ich machte mich los. Wo sollte ich suchen? Vielleicht hatte sich Svetlana ja in der Kirche versteckt.
    Drinnen war nur der Pfarrer, der vor dem Altar stand und in einem Buch blätterte. Als ich hereinkam, sah er auf und blickte mich fragend an. »Es geht noch nicht los«, rief ich. »Ist hier eben vielleicht eine junge Frau hereingekommen?«
    Er schüttelte langsam den Kopf und wandte sich wieder seiner Lektüre zu. In diesem Moment erklang vom Vorplatz her aufgeregtes Geschrei. Ich machte auf dem Absatz kehrt und stolperte nach draußen. Dort bot sich mir ein groteskes Bild.
    Die Hochzeitsgesellschaft war auseinander gerückt, um Platz in der Mitte zu schaffen - so ähnlich, wie man es von Straßengangs kennt, wenn ihre Anführer eine Schlägerei anfangen.
    Die beiden Kontrahentinnen waren Svetlana und Agnes von Rosen-Winkler. Svetlana stand zwei Schritte von der Baronin entfernt und hielt ihr mit beiden Händen die Mündung meiner Beretta entgegen. Ihr Gesichtsausdruck war hasserfüllt.
    »Tut doch was«, rief die Baronin, die erstaunlich gelassen wirkte. »Holt die Polizei. Nehmt dem Flittchen die Waffe weg.«
    »Svetlana, nicht!«, schrie ich. Ein paar der Gäste drehten sich zu mir um. Ich arbeitete mich ganz nach vorn. Svetlana warf mir einen kurzen Blick zu, drehte aber dabei kaum den Kopf.
    »Halt dich da raus, Remi«, rief sie. »Sie hat Tristan auf dem Gewissen. Das muss ich allein mit ihr ausmachen.«
    »Sie kennen sie?«, rief die Baronin mir zu. »Sie Versager. Sie sollten mich vor der Person schützen, und sie mir nicht auch noch auf den Hals hetzen.«
    »Ruhe!«, befahl Svetlana. Ihre helle Haut glänzte vor Schweiß.
    Die Baronin lachte verächtlich.
    »Svetlana, das hat keinen Zweck. Du machst dich unglücklich«, schrie ich.
    »Das hat unsere so genannte Baronin schon geschafft«, antwortete sie, ohne die Braut aus den Augen zu lassen. »Was hast du mit Tristan gemacht? Wo ist er?« Ihre Stimme ging in ein erbärmliches Schluchzen über.
    »Sie ist verrückt«, rief die Baronin. »Nun tu doch endlich einer was.«
    Ich trat in den Kreis und näherte mich Svetlana. »Bleib weg, Remi«, sagte sie drohend. »Wenn du näher kommst, drücke ich ab.«
    »Das wirst du nicht«, sagte ich ruhig und begab mich in die Schusslinie. Ganz wohl war mir nicht dabei, aber mir würde Svetlana nichts tun.
    »Warum … warum machst du das?«, fragte Svetlana verwundert. Die Pistole sank langsam.
    »Weil wir alle Beweise haben. Sie kommt hier nicht weg. Ich habe bereits die Polizei informiert«, behauptete ich.
    »Weißt du alles? Auch wer sie ist?«
    »Alles. Ich habe das Foto gesehen.« Ich streckte die Hand aus. Svetlana gab mir langsam die Waffe.
    Ich drehte mich zur Baronin um, die nicht mehr ganz so selbstsicher wirkte. »Was reden Sie denn da?«, fragte sie. »Das ist doch alles Unsinn.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Sie kommen in den Knast, Baronin. Oder soll ich lieber sagen, ›Petra Ziebold‹?«
    Einen Moment erstarrte sie. Dann ging sie plötzlich wie eine Furie auf mich los. Sie trat und schlug, und ich spürte, dass sie große Kraft besaß.
    Auf einmal hatte sie die Pistole in der Hand, stieß mich zur Seite. Sie hob den rechten Arm, und die Waffe war plötzlich genau vor meinem Kopf. Es ratschte zweimal, als sie die Pistole durchlud.

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