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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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Vaters hing. Eine Art Indianerschmuck aus Faden und Federn. Lea und Tuva, die Töchter ihrer Cousine Maj, hatten ihn für den bettlägerigen Großonkel gebastelt. Ihr Vater war in einem Pflegeheim in Ljungby untergebracht und erwartete heute ihren Besuch. Es war ja Sonntag. Natürlich hatte sie vergessen, den Besuchstermin abzusagen. Sie fummelte ihr Handy aus der Rocktasche. Ihr Vater schlief. Die Stationsschwester klang vorwurfsvoll, zumindest meinte Forss das herauszuhören. Möglicherweise war es aber auch nur eine Projektion ihrer Schuldgefühle.
    »Es tut mir leid«, sprach sie in ihr Telefon. »Morgen. Ich versuche es morgen.«
    Ihre Knie wurden weich. Sie legte auf. Dann hob sie Das Kapital vom Fußboden auf, holte den Laptop aus dem Schlafzimmer und verstaute beides in einer Einkaufstasche aus Stoff, um es mit aufs Präsidium zu nehmen. Sie trat durch die Terrassentür aus dem Haus, das ihr wie das Museum einer aus der Mode gekommenen Lebenseinstellung vorgekommen war.
    Marx.
    Kommunismus.
    Sollte das eine ernst zu nehmende Alternative zu dem Wahnsinn sein, der in der Welt tobte? Konnte jemand in einem so alten Schinken wirklich nach Antworten suchen? Und wer bekannte sich schon heutzutage noch dazu? Sie kannte jedenfalls niemanden.
    Im Garten unter den Apfelbäumen stand ein rot getünchter Schuppen aus Holz. Er war verschlossen, aber an Dahlins Schlüsselbund, den sie in seinen Sachen auf Musön gefunden hatten, war der passende Schlüssel. Im Schatten der Bäume war es angenehm kühl, in der Luft lag der würzige Geruch von Grillfleisch. Forss öffnete die Tür des Holzhäuschens und trat ein. Sie stand in einem Bastlerschuppen. Eine große, hölzerne Werkbank dominierte den Raum, an der Wand davor hingen Werkzeuge an Haken und in Halterungen. Auf der Werkbank war eine große Bohrmaschine senkrecht in einer Halterung befestigt, daneben befanden sich ein Schraubstock, ein Lötkolben in einem Drahtständer, eine Schleif- und eine Drechselmaschine. Auf Regalen stapelten sich Kunststoffkästen mit Schrauben, Muttern, elektrischen Widerständen, Dioden und LED-Lämpchen. Das, woran Janus Dahlin gerade gearbeitet hatte, stand zentral auf der Werkbank. Forss hatte so etwas noch nie gesehen. Es sah aus wie eine Persiflage auf ein Perpetuum mobile.
    Ein zweckfreier Bewegungsapparat.
    Eine kinetische Versuchsanordnung.
    Es gab Knöpfe zu drücken und Kurbeln zu drehen. Rädchen setzten sich in Bewegung, griffen in Zahnräder, trieben winzige Pleuelstangen an. Windräder drehten sich, Lämpchen blinkten auf, eine Metallwalze rotierte und aufgelötete Nocken brachten verschieden lange Metallstreifen zum Schwingen und die Melodie von Last Chrismas erklang scheppernd. Eine silbrig glänzende Flipperkugel raste durch eine spiralförmige Rutsche und löste einen Mechanismus aus, der die Uhrzeit ansagte. Zum Schluss flammte ein Feuerzeug auf, das eine Wunderkerze entzündet hätte, allerdings war das Exemplar, das in der entsprechenden Halterung klemmte, bereits abgebrannt.
    Was hat das zu bedeuten, fragte sich Forss. Was warst du für ein Mensch, Janus Dahlin?
    Ein linkspolitisch engagierter Geschichtslehrer, der an sinnfreien Automaten herumbastelte? Oder sollte das Kunst sein, was da vor ihr auf der Werkbank stand? Ein Bild, eine Metapher, die sie nicht verstand?
    Sie verließ den Schuppen und schloss die Tür sorgfältig ab. Die Äpfel an den Zweigen waren noch nicht mehr als kleine, grüne Knubbel. Wer würde sie in einigen Monaten ernten, wenn sie reif waren?
    17
    Während seine Kollegen ausgeschwärmt waren, um die Feldarbeit zu verrichten, versuchte Delgado, den aktenkundigen Hintergrund Dahlins zu beleuchten. Dazu nutzte er die digitalen Archive der Polizei und der Behörden. Die Sportschützen von Humlehöjden hatte man vorläufig entlassen. Die schockierten und verunsicherten Freunde des historischen Bogenschießens waren nach Hause gefahren oder in einem anderen Hotel untergebracht worden, weit weg vom Fundort der Leiche, wo man ihnen weiterhin psychologische Betreuung zur Verfügung stellte. Den nicht Ortsansässigen, selbst den Ausländern wie dem italienischen Mönch, einem niederländischen Versicherungsvertreter und zwei deutschen Studentinnen, hatte man für Montag die Rückreise gestattet, schließlich hatte sich nach bisherigem Ermittlungsstand keiner der Turnierteilnehmer tatverdächtig gemacht. Natürlich würden sie die Angaben und Lebensläufe der dreiundfünfzig Menschen nach Verbindungen und

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