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Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Rotwild: Der zweite Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Signe Danielsson , Roman Voosen
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deutet darauf hin, dass ...«
    »Er wurde getötet, oder? Jemand hat ihn umgebracht.«
    Sara Saale sah sie an. Ihr Blick war intensiv. Wie der einer Schauspielerin in einem altertümlichen Schwarz-Weiß-Film, dabei waren ihre Augen noch nicht einmal geschminkt.
    »Ja«, sagte Nyström erstaunt, »aber woher weißt du das?«
    »Es liegt an dir, glaube ich. Dein Blick, als ich die Tür geöffnet habe. Da habe ich verstanden. Du strahltest so etwas aus. Wie ein Todesbote«, sagte sie leise. Und dann: »Entschuldigung.«
    Wieder stellten sich die Härchen auf Nyströms Unterarm auf, wieder rauschte das Blut in ihren Ohren. Ihre linke Brust spannte.
    »Schon gut«, flüsterte sie.
    Dann war es lange still. Irgendwann bemerkte Nyström, dass in einem anderen Zimmer im Haus Musik abgespielt wurde.
    Violinen und ein Cello.
    Vielleicht Vivaldi.
    Aber es klang so weit entfernt, als käme es aus einem anderen Leben.
    »Wer könnte so etwas getan haben?«
    Der Satz stand im Raum, umrankt vom fernen Violinenspiel. Nyström war sich nicht mehr sicher, wer von ihnen beiden ihn ausgesprochen hatte.
    »Ja, wer könnte so etwas nur getan haben?«, wiederholte sie und nippte an ihrem Tee. Er war ungenießbar bitter, Saale hatte vergessen, das metallene Ei mit den grünen Teeblättern aus der Kanne zu nehmen.
    Erneut war es lange still. Die Augen der Frau füllten sich. Sie weinte lautlos.
    »Wie ist es passiert?«, fragte sie schließlich. »Wie hat man Janus getötet?«
    Eine Träne hatte sich in dem blonden, fast unsichtbaren Flaum auf ihrer Oberlippe verfangen und die Sonne brach sich darin. Auch auf der Oberfläche des Tees funkelte es. Das Cello klagte.
    »Er wurde erschossen. Von Pfeilen getroffen. Ihm wurde Gewalt angetan. Genaueres ist noch nicht bekannt.«
    »Pfeile? Gewalt?«
    »Ja.«
    Nyström hörte den Nachklang ihrer eigenen Stimme. Man hatte ihr beigebracht, in solchen Momenten sachlich zu sein. Dabei ging es hier doch überhaupt nicht um Sachverhalte. Es ging um ein Leben, das zu Ende war.
    Und eine Angehörige, deren Seele implodierte.
    Ich sollte gar nicht hier sein, dachte Nyström. Ihr Mann, ein Pfarrer sollte hier sein. Jemand, der Beistand leistete, anstatt Fragen zu stellen.
    Dann fiel ihr etwas ein.
    »Janus. War er ...«
    Sie wusste nicht, wie sie es formulieren sollte. Saale wirkte unendlich weit entfernt. So, als sei sie längst woanders. Dort, wo die Violinen und das Cello spielten vielleicht. Nyström hielt inne. Sie wartete lange. Fünf Minuten oder vielleicht zehn. Die Musik hatte auch sie entführt. Es war so falsch, hier zu sitzen und Fragen zu stellen. Es war gegen alles, was sie als Mensch empfand. Und dennoch war es notwendig.
    »War Janus religiös? Hatte er etwas mit der Kirche zu tun? Oder mit sehr religiösen Menschen?«
    Saale verharrte in ihrer Position, die Beine angezogen, das Kinn auf die Brust gepresst, die Augen halb geschlossen. Dann gab sie sich einen Ruck. Sie blickte auf.
    »Janus? Nein. Im Gegenteil.«
    Sie sprach jetzt schnell.
    »Er hat sich als Materialist bezeichnet. Nicht im alltagssprachlichen Sinne, er war nicht auf materiellen Wohlstand aus. Er nannte sich Materialist in einem erkenntnistheoretischen und historischen Sinn.« Historisch, dachte Nyström. Schon wieder. Nostalgie und Historie. »So wie Marx den Begriff gebraucht hat. Alles ist Materie und leitet sich daraus ab. Die Welt wird nicht von Gott bewegt oder von einem höheren, menschlichen Ideal, sondern allein von ökonomischen Interessen. Ein fortdauernder Verteilungskrieg, wenn man so will. Klassenkampf.«
    »Das klingt wie ein Begriff aus dem vergangenen Jahrhundert«, sagte Nyström vorsichtig.
    Saale lachte abrupt auf.
    »Ach, wirklich? Siehst du keine Nachrichten? Liest du keine Zeitung? Denkst du nie über Dinge nach?«
    Etwas hatte sich in der schlanken Frau aufgebäumt, plötzlich war da eine Spannung in ihrem Körper, eine Energie, die Nyström vorher nicht wahrgenommen hatte. Sara Saale schwieg und Nyström ebenfalls. Auch Vivaldi war verstummt.
    »Er war Atheist«, sagte Saale schließlich. »Seit ich klein war, hatte ich immer eine Kette mit einem kleinen, silbernen Kreuz um den Hals. Als ich ihn kennengelernt habe ... Ihm zuliebe habe ich sie abgenommen.«
    Sie griff nach ihrer Tasse und trank sie leer. Die unerträgliche Bitterkeit des Tees schien sie nicht zu bemerken.
    »Bist du gläubig?«, fragte Nyström vorsichtig.
    »Möglicherweise. Ja. Auf eine bestimmte Art. Er hat das nicht gemocht. Er fand,

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