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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Mutter das Sorgerecht entziehen könnte, und was das wiederum für sie beide bedeuten würde.
    Und die Mutter unterstützte dieses Vorhaben auch noch, wenn auch indirekt. Yvonne Kerner war dicht, dicht von Pillen, kaum ansprechbar. Wickelte sich in ihre Wolldecke, bis nur noch ihr fettig glänzender Scheitel und ihre stumpfen, trüben Augen sichtbar blieben, und ließ den Dingen ihren Lauf. Ich hätte sie am liebsten geohrfeigt.
    Die Zwillinge versuchten es mit Leugnen, versuchten - taktisch gar nicht mal ungeschickt - ihr Leugnen durch Teilgeständnisse zu untermauern. Das Fahrrad, ja gut, das hätten sie gefunden, aber all die anderen Sachen, die sähen sie zum ersten Mal.
    Ich versuchte alles, um Schuster und Wittig dazu zu bringen, das wenigstens mal in Betracht zu ziehen. Aber, nein.
    Und der Stief, der große Vorkämpfer der Initiative, die gestrenge Vaterfigur, Vorstand einer intakten Familie? Knickte ein vor den Behördenärschen, winselte herum, machte Zugeständnis auf Zugeständnis, räumte Fehler bei der Erziehung ein und begründete sie mit Überforderung.
    Es war erbärmlich. Ihre Kinder waren auf dem Weg ins Heim, und weder Mutter noch Stiefvater machten auch nur einen Finger krumm, das noch mal abzuwenden. Als man die Jungs dann tatsächlich mitnahm, hatte Yvonne Kerner nur noch ein Auge offen und Siebling hockte schon wieder vor seinem Daddelkasten. „Das habe ich nicht gewollt“, sagte ich. Keiner antwortete.

TAG 5
    Haben dir die Bullen die Autokennzeichen zusammengefaltet, kannst du sie genauso gut wegschmeißen. Selbst wenn du dich noch so bemühst, sie wieder gerade zu biegen, es bleiben doch Knickstellen sichtbar, und die Kellenschwenker haben ein scharfes Auge dafür. Der verfluchte Kontaktbereichsbulle hatte mir eine Frist von vierundzwanzig Stunden gesetzt, den Toyota entweder neu zuzulassen oder aber zu entsorgen. Neu zulassen scheiterte an den dafür notwendigen Stempeln, somit an technischen wie finanziellen Gründen, entsorgen an emotionalen. Da blieb nur eine Lösung: Ata. Ata Riese.
    Früher am Morgen hatte ich schon mit Amtsleiterin Wittig gesprochen. Am Telefon war sie einigermaßen umgänglich.
    Die Jungs hatte man fürs Erste in einem Heim untergebracht. Ein Antrag auf Entzug des Sorgerechts lief. Begründung: Die Vielzahl aktenkundig gewordener Vorfälle, in die Yves und Sean ursächlich involviert waren. Dazu kam die unübersehbare Medikamentenabhängigkeit der Mutter. Pflegefamilie oder Heim, so sah die Zukunft für die Zwillinge aus.
    Ich sagte: „Moment mal, Frau Wittig. Da ist ja immer noch Roland Siebling, der Stief. Ich meine, mit ein bisschen Unterstützung vonseiten Ihrer Behörde ...“ Doch nein: Siebling war nicht der Stiefvater der Zwillinge.
    Ich sagte: „Aber er ist mit der Mutter verheiratet. Da müsste er doch das Sorgerecht haben.“ Irrtum: Siebling hatte Yves und Sean nie adoptiert. Demnach besaß er keine Stiefvaterschaft, kein Sorgerecht, gar nix.
    „Was ist dann mit dem leiblichen Vater?“ Unbekannt. Und einen schönen Tag noch. Ohne recht sagen zu können, wieso, sah ich plötzlich eine Menge Lauferei und Fahrerei auf mich zukommen.
    Ich wählte eine Nummer aus dem Gedächtnis. Ata Riese meldete sich.
    „Ata“, sagte ich, „ich brauche zwei Langschilder, mit Plaketten.“ Ata Riese kann so ziemlich alles besorgen. Zu einem Preis, versteht sich. „Hm“, machte er. „Das wird nicht billig, Kristof.“
    „Pass auf, Ata. Ich darf dich daran erinnern, dass ich noch fünfhundert von dir kriege. Mein Vorschlag ist, du besorgst mir die Schilder, Plaketten und alles, noch heute, und wir sind glatt.“
    „Fünfhundert? Wofür das denn?“ Atas Frage war nicht ganz unberechtigt. Ich wusste es selbst nicht. Eigentlich hatte ich vorgehabt, ihm Scuzzis Flachbildschirm zum Tausch anzubieten, doch der verdammte Erbsenzähler von einem Bullen rückte ohne Eigentumsnachweis nichts vom beschlagnahmten Diebesgut heraus. Nun musste ich improvisieren. Zum Glück ist Ata Riese Trinker und Kiffer. Das heißt, er ist ein bisschen herausgefordert und immer leicht am Schwimmen, was Erinnerungsvermögen und den generellen Stand der Dinge angeht. „Für die AmEx Titan, die du mir angedreht hast? Und die angeblich eine Lizenz zum Gelddrucken war?“ Hartnäckigen Gerüchten zufolge sollen die Karten sogar ein paar Tage lang funktioniert haben. Doch dann war American Express aufgewacht und hatte gewaltig dazwischengefunkt. Von da an waren die Karten wertlos, und man bekam

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