Rotzig & Rotzig
zwei Kaffee, pfiff meinem Hund und lief rüber zu Scuzzi auf seinem Beobachtungsposten.
„Du hättest mir ruhig sagen können, dass das Loch hier ungeheizt ist“, beschwerte er sich, und blies hocharomatisierten Rauch über seinen Kaffeebecher. Pierfrancesco Scuzzi, Ergebnis einer von vier flüchtigen Ehen seiner Mutter, geborene Sauerbier, macht gern sein südländisches Blut für seine Verfrorenheit verantwortlich.
In Wahrheit ist er nur ein Warmduscher, der viel zu selten vor die Tür geht.
„Klar hätte ich das“, sagte ich. „Doch dann wärst du nicht gekommen. Und ich brauche dich hier.“ Mein Plan, mein toller Plan war drauf und dran, komplett in die Hose zu gehen. Das würde nicht nur bedeuten, dass ich weiter an diese verfluchte Wohnsiedlung gekettet blieb, sondern auch, dass irgendjemand sich hinter meinem Rücken scheckig lachte. „Weißt du, worüber ich die ganze Zeit nachdenke, während ich hier herumstehe und mir die Eier abfriere?“ Scuzzi wischte an der Fensterscheibe herum, warf die Kippe von seinem Stick zu Boden und sah mich dann fragend an. Ich zuckte die Achseln. „Ob das alles nicht komplett für'n Arsch ist, weil die zehngeschossige Bruchbude da drüben schlicht und einfach noch 'nen anderen Ausgang hat.“
Ich schüttelte den Kopf in hausmeisterlichem Besserwissen. „Nur den vom Fahrradkeller. Und der Fahrradkeller ist seit zwei Jahren verrammelt und niemand ...“ Ich brach ab. Die graue Stahltür zum Fahrradkeller war von hier aus nicht einsehbar. Doch es war genau diese Tür gewesen, die die Zwillinge ausgespuckt hatte, kaum dass mein Vorgänger auf dem Rasen aufgeschlagen war.
Die Tür hatte einen Rundknauf ohne Drückerfunktion, dazu ein Zylinderschloss, bündig ins Türblatt eingearbeitet. Und einen passenden Schlüssel dazu besaß ich nicht. Auch nach zweimaligem Durchprobieren meines wirklich umfangreichen Hausmeister-Schlüsselrings nicht.
Entweder hatte man das Schloss ausgetauscht, oder jemand hatte einem meiner Vorgänger den passenden Schlüssel geklaut. Wie auch immer, ohne Trennschleifer kam ich hier nicht rein.
Wie sich herausstellte, gab es vom Keller aus noch zwei weitere Zugänge zu dem Raum. Der erste besaß wiederum ein Zylinderschloss, an dem ich erneut scheiterte. Doch um die Ecke fand sich ein Eingang mit Bartschloss, das ich binnen Sekunden geknackt hatte. Die Tür rührte sich trotzdem nicht, also ging ich ein paar Gänge weiter, holte mein Nageleisen und rückte ihr damit zuleibe. Holzkeile prasselten auf der Innenseite zu Boden, die Tür gab nach, und ich war drin.
Sie hatten es sich hübsch gemacht hier, mit zahlreichen Fotos und Postern, gleich mehrere von dieser rehäugigen Musikfernsehmoderatorin, ihre aufgepumpten Titten wie Fremdkörper auf dem halbverhungerten Gerippe. Direkt daneben hing in aller Unschuld ein Kalender mit Hundewelpen, daneben baumelte Spiderman an seinem Handgelenks-Ejakulat, daneben wartete ein palmenbestandener Tropenstrand im hellsten Sonnenschein, daneben posierte ein Typ in einer Totenkopfmaske, die in gleichem Masse einzigartig ausgefallen war wie das Kinn darunter doppelt. Und dann kam Snoop Dogg, ausstaffiert mit Joint und halbautomatischer Waffe und einer Frisur, wie nur er sie tragen kann, von allen Männern dieser Welt, er ganz allein.
Die Möblierung beschränkte sich auf eine alte Matratze, ein paar Wolldecken und Kissen, einen Aschenbecher, eine Game-Konsole und zwei Kerzenhalter für Atmosphäre.
Kartoffelchips, Gummibärchen, Colaflaschen, Schokoriegel, Styroporverpackungen von Hamburgern und Pappschalen von Pommes ließen ernährungstechnisch so gut wie nichts vermissen, vor dem nicht immer wieder gewarnt wurde.
Zwischen den Kissen und Decken warteten ein ehemals plüschiger, nun ziemlich abgegriffener Panda und ein mindestens ebenso zugrunde geliebter Dackel auf ihre Besitzer.
Verwirrende Zeiten sind das, zwischen Kuscheltier und Gangsta-Rap.
Irgendwie fühlte ich mich ein bisschen an Scuzzis und meinen alten Partykeller erinnert. Gleichzeitig war das hier exakt die Art von Höhle, die du dir einrichtest, wenn der Stief dein Kinderzimmer vierundzwanzig Stunden am Tag mit Beschlag belegt, um dort möglichst ungestört sein computeranimiertes Ersatzdasein zu führen.
Selbst ihre Hausaufgaben schienen die beiden hier zu machen, wie eine Reihe Schulbücher verriet, gepaart mit anderen Utensilien wie Stiften, Linealen, Heften. Nicht weiter überrascht war ich dagegen, Scuzzis Flachbildschirm vorzufinden
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