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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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und auch das gelbe Mountainbike, dessen Bügelschloss zerkratzt, aber noch nicht geknackt war. Dazu eine Menge Krempel, den ich auch ohne Zuhilfenahme meiner Listen als Beute aus diversen früheren Einbrüchen erkannte. Die Frage Was jetzt? manifestierte sich und stand unübersehbar im Raum herum.
    Jetzt, dachte ich, schnappe ich mir die Erziehungsberechtigten und spreche ein paar strenge und mahnende Worte. Dann tippe ich meinen Bericht, hänge eine fette Rechnung dran, sage dem verdammten Wohnpark Nord Auf Nimmerwiedersehen, stopfe eine Badehose und meinen Hund in eine Reisetasche und anschließend fliegen wir in dieses Poster mit dem Palmenstrand. Und vielleicht nehmen wir die rehäugige Fernsehplaudertasche mit.
    „Herr Siebling, wo sind die beiden Jungs?“
    „In der Schule, natürlich.“
    „Natürlich“, echote ich und bat ihn, mal mit mir mitzukommen.
    Er staunte nicht schlecht. „Das war mal der Fahrradkeller“, stellte er fest. „Aber in letzter Zeit war der immer abgeschlossen. Und niemand hatte einen Schlüssel dafür. Wir von der Initiative haben uns mehrfach beschwert, aber ...“
    „Haben Sie eine Ahnung, wer diese ganzen Sachen hier gebunkert haben könnte?“
    Siebling besah sich die Beutestücke. Vor allem der Flachbildschirm schien ihn zu interessieren. „Nein. Keinen blassen Schimmer. Glauben Sie, die sind geklaut?“
    „Jetzt stellen Sie sich mal nicht blöder, als Sie sind.“ Ich bückte mich, hob eine Kladde auf, die mit Mathematik, Yves Kerner und Klasse 4b beschriftet war, und drückte sie ihm in die Hand.
    „Das beweist gar nichts“, sagte er schnell. „Die WO-DEGA versucht schon lange, uns irgendwas anzuhängen, denen ist jedes Mittel ...“
    „Herr Siebling, ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie Ihre Stiefsöhne dieses Fahrrad beiseitegeschafft haben. Und ich weiß, dass die beiden einen Schlüssel zu diesem Raum besitzen. Doch ich will den Jungs nichts. Ehrlich nicht. Alles, was mich interessiert ist, dass diese verdammten Einbrüche aufhören.“
    „Das mag ja sein“, sagte eine Stimme von der Tür her. „Doch Sie werden verstehen, dass mein Interesse an dieser Angelegenheit ein ganzes Stück weiter reicht.“ Es war POM Schuster, der grau melierte Kontaktbereichsbulle.
    Am Rande des Gewerbegebietes neben dem Wohnpark hatte sich eine Pizzeria niedergelassen, eine lieblos gestaltete Containerbude, die einen Großteil ihres Umsatzes entweder über den Lieferservice oder mit Geldwäsche machte. Auf alle Fälle gab es drinnen nichts, das einen Gast zum längeren Verweilen ermutigte. Weder der Typ hinter der Theke noch ich waren scharf darauf, dass ich mich unter das grausame Neonlicht an einen der Plastiktische setzte, also bestellte ich Gnocchi und Pizzabrötchen zum Mitnehmen.
    Draußen war es kalt und trüb, aber trocken. Ich suchte mir eine Parkbank und teilte das Abendbrot schweigend mit meinem Hund. Mir war nicht zum Reden zumute. Yves und Sean hatten es sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, jemals aufzufliegen. Sie waren völlig von den Socken gewesen.
    Alle meine Versuche, den Ordnungshüter einzubremsen, liefen ins Leere. POM Schuster glaubte an das Gesetzbuch wie der Muslim an seinen Koran und war zu keinerlei Zugeständnissen zu bewegen. Im Gegenteil: Er hatte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als auch noch das Jugendamt zu alarmieren.
    Die Leiterin war persönlich angerauscht gekommen, eine Frau Wittig. Sie trug eine radikale weißblonde Kurzhaarfrisur zu einem kugelsicher wirkenden Kostüm und bemühte sich nach Kräften, ihre eminente Unsicherheit im Umgang mit Menschen durch Schroffheit zu kaschieren. Nach außen hin lag ihr ausschließlich das Wohl der Kinder am Herzen, doch wenn man nur ein bisschen genauer hinsah, legte sie nebenher eine recht unverhohlene Lust an der Machtausübung an den Tag. Auf ihren Vorschlag hin waren wir nach kurzer Inspektion des Fahrradkellers dann alle in die Wohnung der Familie Kerner/Siebling umgezogen, wo der Polizeiobermeister und die Jugendamtsleiterin dann über den Jungs zu Gericht saßen. Beide, Schuster und Wittig, versuchten, mich mit hineinzuziehen in ihr Vorhaben, den Fall möglichst groß aufzubauschen, und waren pissig geworden, als ich mich verweigerte. Was die da veranstalteten, schoss meilenweit über mein Ziel hinaus.
    In jugendlicher Unbekümmertheit hatten sich Yves und Sean gründlich verschätzt, was den Grad ihrer Strafunmündigkeit anging. Sie hatten einfach nicht einkalkuliert, dass man ihrer

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