Rotzig & Rotzig
Hausmeisterwohnung mit drauf - geschrieben.
„Ich werd es den beiden geben, sobald sie aus der Schule kommen“, versprach Reiff und begleitete mich zur Tür seines Büros. „Und Ihnen gebe ich einen Tipp: Warum kommen Sie nicht in Begleitung der Mutter wieder? Die kriegt sicherlich eine Besuchserlaubnis.“ Damit nickten wir einander zu, und ich trollte mich. Auf dem Weg zum Ausgang steckte ich noch kurz den Kopf durch die Küchentür, verabschiedete mich auch von Frau Reiff und ließ mir einen Apfel geben. Struppi war gar nicht so leicht zu finden. Schließlich entdeckte ich ihn in einer Remise, wo er unter einem selbstverständlich schwarzen Audi Q7 hockte und knurrte, wie ich es selten von ihm gehört hatte, während der Todfeind mit klappernden Hufen und gesenktem Haupt den Wagen umrundete. Ich rief Fritzi beim Namen, zeigte ihm den Apfel, lockte ihn erst mal ein paar Schritte beiseite, ließ ihn schnuppern und mit den dicken Lippen grapschen, bevor ich den Apfel in die Gegend warf.
Ohne weitere Belästigung schafften Struppi und ich es bis zum Tor und hindurch.
Wir sprangen in den Toyota, und ich driftete den Wagen über schneeglatte Straßen bis zur Autobahn und prügelte ihn dann durch die deprimierende graubraune Salzgischt zurück in die Ruhr City, zurück nach Hause. Ich erwartete einen Anruf der Jungs, und auch Reiffs Tipp schien mir durchaus einen Versuch wert zu sein. Vorausgesetzt, Yvonne Kerner ließ sich zu einer Fahrt nach Echternach motivieren. Oder ohne allzu viel Gegenwehr ins Auto verfrachten, so gesehen.
Doch, nein. Weder noch. Wir bogen in den Wohnpark Nord, und ein Krankenwagen wartete mit offener Hecktür vor Haus Nr. 12, ein Notarztwagen schräg daneben, wie in größter Eile geparkt.
Und mich packte so ein ungutes Gefühl, so eine die Magenwände entlangschabende Vorahnung. Ich stieg aus und querte die Straße, da brachten sie sie auch schon aus dem Haus. Selbst unter der Sauerstoffmaske erkannte ich sie sofort, und sei es nur an ihren strähnigen Haaren mit den gelben Spitzen. „Was ist mit ihr?“, fragte ich den Notarzt, der mich ignorierte, wie die beiden Rettungssanitäter auch. Gemeinsam schoben sie die Bewusstlose in den Krankenwagen und schlossen die Türen. „Wo bringen Sie sie hin?“
„Ins Katholische.“ Und sie fuhren mit Blaulicht davon. Ich ging ins Haus.
„Was ist mit Ihrer Frau?“, fragte ich Siebling, der mit ratloser Miene neben der verlassenen Couch stand, die schmuddelige Wolldecke in den Händen. Er antwortete nicht. Brauchte er auch nicht. Auf dem Couchtisch türmten sich die Tablettenpackungen. So viele Tabletten, wie man nur fressen kann.
„Woher hat sie die? Woher hatte sie das Geld?“, herrschte ich Siebling an.
„Weiß ich doch nicht.“ Er klang maulig, reflexartig beleidigt, wie jemand, der sich andauernd in der Defensive sieht.
„Mit irgendwas muss sie diesen Scheiß doch bezahlt haben.“
„Am fünfzehnten hat sie immer was auf dem Konto. Keine Ahnung, woher.“
Von Brettschneider, schoss mir durch den Kopf. Möglich wäre es. Für die Jungs. Und Mutter kaufte sich Leckerchen davon.
Siebling blickte sehnsüchtig zur offenen Tür des Kinderzimmers.
„Na worauf warten Sie noch?“, schnauzte ich, und er ließ die Wolldecke fallen und verzog sich eilig. Einen Moment stand ich da, bis ich es hörte, dieses freudlose, mechanische „Haha“. Am liebsten hätte ich ihn geschlagen. Stattdessen hob ich das Kopfkissen, fand, wie erwartet, Yvonnes Handtasche, die Geldbörse, die EC-Karte. Zupfte sie raus und steckte sie ein.
Meine Laune war nicht die sonnigste, als ich mich wieder hinters Lenkrad fallen ließ. Struppi stand auf dem Beifahrersitz, Vorderpfoten auf der Türkante, sah nach draußen und knurrte. Er hatte die Hoodies entdeckt. Sie umringten Metin und einen seiner Kunden, einen schmalen Typen mit blondierter Igelfrisur. Geld und Stoff wechselten die Besitzer, der Typ versuchte sich noch an einem komplizierten Handschlag, scheiterte, lachte, verabschiedete sich überschwänglich. Die Hoodies verzogen keine Miene, sahen ihm gleichgültig hinterher. Einer spuckte auf den Boden. Die Herablassung des Dealers angesichts der Unterwürfigkeit des Kunden. Die ganze Szene erinnerte mich mit intensiver Peinlichkeit an meine eigene Zeit als Bedürftiger. Drogen. Manchmal frage ich mich ernsthaft, was ich jemals daran gefunden habe.
Ich stieg noch mal aus, ging rüber zu dem Grüppchen. Schultern nach vorn, Kapuzen in die Stirn, versuchten
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