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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Körbchen voll Croissants daneben. „Wie war die Nacht?“, fragte sie.
    „Einsam“, behauptete ich, mit einem Unterton von mildem Vorwurf. Hatte ich sie gestern noch angebaggert? Garantiert. Sie war bildhübsch, weich gezeichnet dabei, mit runden Wangen, Schultern, Möpsen, Hüften. Mitte zwanzig, schätzte ich, sah aber, nicht zuletzt wegen ihrer Kulleraugen jünger aus. „War dir nicht kalt?“
    „Och“, wiegelte ich ab, „umfächelt von Hundefürzen ließ es sich aushalten.“
    „Bestimmt.“ Sie nickte ernsthaft, schien aber trotzdem innerlich ein wenig auf Distanz zu mir zu gehen.
    „Von der Temperatur her“, fügte ich deshalb hinzu. „Sicher.“
    Struppi setzte sich auf meinen Fuß, bekam ein halbes Croissant, das er ohne zu kauen hinunterwürgte. „Ich kann nur hoffen, ich bin gestern nicht zu aufdringlich geworden“, sagte ich, ganz gespielte Reumütigkeit.
    „Nicht zu“, antwortete sie mit einem kurzen, kaum merklichen Aufblitzen aus den Augenwinkeln. Noch mal verziehen, hieß das, doch ein erneuter Versuch sollte besser in nüchternem Zustand stattfinden. „Was wollte eigentlich Claude von dir?“, fragte sie dann. „Claude?“
    „Na, Brigadier Claude Berck, die eiserne Faust des Gesetzes von Echternach.“
    „Er wollte mir auf die Nerven gehen. Luxemburg muss eine beneidenswert niedrige Kriminalitätsrate haben, wenn es sich solch dämliche Polizisten leisten kann.“
    „Oh, Claude ist nicht so dämlich, wie er tut. Er fühlt sich nur dem Luxemburger Idyll verpflichtet. Deshalb versucht er, es jedem ungemütlich zu machen, der nicht in sein Schema passt. Ausländern, die Schrottkarren fahren zum Beispiel.“ Leyla sprach, wie Claude Berck und Jean-Luc Reiff, ein einwandfreies Deutsch mit einem Akzent, der entfernt an Schwyzerdütsch erinnerte. Schwyzerdütsch mit eingesprenkelten französischen Nasalen. Anders als bei Reiff oder gar Berck klang es bei ihr ziemlich apart.Trotzdem ... „Schrottkarre? Der 77er Toyota Carina ist ein Modell von automobilhistorischer Signifikanz.“ Leyla lachte, bis sie zum Tempo greifen musste.
    „Ja bitte?“ Wieder antwortete eine weibliche Stimme auf mein Klingeln am Tor, diesmal aber nicht die Stimme des alten Knochens. Ann-Kathrin, schätzte ich. „Frau Reiff?“
    „Ja, wer ist da?“
    „Ich bin's, Kristof Kryszinski. Ich habe es gestern irgendwie versäumt, den Zwillingen das Päckchen von ihrer Mutter zu überreichen. Deshalb dachte ich, ich hole das eben rasch nach, ehe ich mich auf den Rückweg nach Deutschland mache.“
    Ich hoffte insgeheim, dass ihr Gatte nach Antwerpen gefahren war oder wo sonst Diamantenhändler durch ihre Lupen linsen.
    „Dann kommen Sie doch bitte hoch, zum Haus.“ Bsst, schnack, hindurch, schnack. Manche Männer heiraten ja das Äquivalent ihrer Mutter, Jean-Luc tendierte zum Gegenteil. Ann-Kathrin Reiff war dick, rosig, fröhlich. Sie trug eine Kittelschürze und hatte das Haar zu einem losen Dutt zusammengebunden.
    „Möchten Sie reinkommen?“
    „Gern.“
    Ich folgte ihr in eine große, altmodische Küche. Mit großem Tisch, großem Herd, rustikalen Töpfen und Pfannen, alles abgegriffen, alles eingearbeitet, lauter Utensilien, die schon aus Erfahrung zu wissen schienen, wie die Gerichte am besten gelingen.
    Also genau die Art von Küche, in der du dich fast schon zwangsläufig im Handumdrehen zum Maitre wandelst, ab da regelmäßig Horden von Freunden bekochst, schöne Frauen über der Raffinesse deiner Desserts dahinschmelzen lässt und dich nur noch mit milde amüsiertem Unverständnis deiner Fast-Food-Jahre erinnerst. „Mein Mann schläft noch“, sagte sie mit entschuldigendem Lächeln. „Er musste gestern Abend noch Geschäftsfreunde bewirten, und Sie wissen ja, wie das ist...“
    „Nur vom Hörensagen“, gestand ich. „Das riecht aber lecker hier.“
    „Das wird das Abendessen“, erklärte sie. „Rindsgulasch mit Speckknödeln.“
    Rindsgulasch mit Speckknödeln ... >Hast du schon mal Kristofs Rindsgulasch probiert?< >Das mit den Speckknödeln? Unglaublich. Und dazu gab es einen 96er ... ah, einen 96er ...< Einen 96er mit einem dieser zusammengesetzten französischen Namen, die einem einen Krawattenknoten in die Zunge binden, wenn man nicht aufpasst. „Ich würde Sie ja kosten lassen, doch das Fleisch braucht noch mindestens zwei Stunden.“ Mit großer Selbstverständlichkeit setzte Ann-Kathrin mir einen dampfenden Becher vor die Nase. Kakao. Ich nahm einen Schluck und spürte ein lange

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