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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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niedere Neigungen, die ihrem edlen Herzen fremd waren, die Schuld, sondern einzig und allein ihr großherziges, zu freundliches, zu mitleidiges, zu hingebendes Gemüth, welches sie nicht immer mit hinreichender Urteilskraft beherrschte.
    Haben einige falsche Grundsätze sie irre geleitet, nun, wie viele bewunderungswürdige hatte sie dafür, die sie nie aufgab! Durch wie viele Tugenden machte sie nicht ihre Schwächen, wenn man Verirrungen, an denen ihre Sinne so wenig Antheil hatten, überhaupt so nennen kann, wieder gut! Der nämliche Mann, der ihr über einen Punkt falsche Ansichten beigebracht, hatte sie über tausend andere vorzüglich unterrichtet; und da ihre nur schwachen Leidenschaften ihr gestatteten, beständig ihrer Einsicht zu folgen, so blieb sie auf dem rechten Wege, wenn ihre Sophismen sie nicht irre führten. Ihre Beweggründe waren selbst bei ihren Fehlern lobenswerth; so lange sie sich in Täuschungen befand, konnte sie Unrecht thun, aber sie war unfähig, Unrechtes zu wollen. Sie verabscheute Falschheit und Lüge; sie war gerecht, billig, liebreich, und uneigennützig, treu ihren Worten und ihren Freunden, treu allen Pflichten, die sie als solche anerkannte, unzugänglich allen Gefühlen der Rache und des Hasses, und begriff nicht einmal, daß im Verzeihen das geringste Verdienst liegen könnte. Kurz, um auf das zurückzukommen, was am wenigsten verzeihlich ist, sie machte, ohne selbst den wahren Werth ihrer Gunst zu schätzen, nie einen gemeinen Handel daraus; sie verschwendete sie, aber sie verkaufte sie nicht, obgleich sie unaufhörlich in Nahrungssorgen war, und ich wage zu behaupten, wenn Sokrates Aspasia achten konnte, hätte er vor Frau von Warens Hochachtung gehabt.
    Ich weiß im voraus, daß ich, wenn ich ihr ein empfängliches Gemüth und ein kaltes Temperament gebe, wie gewöhnlich und mit eben so viel Grund des Widerspruches werde geziehen werden. Möglicherweise hatte die Natur Unrecht, und diese Verbindung hätte nicht sein sollen; ich weiß nur, daß sie stattgefunden hat. Alle, welche Frau von Warens gekannt haben, und deren lebt noch heutigen Tages eine große Zahl, haben erfahren können, daß sie so war. Ich wage sogar die Behauptung hinzuzufügen, daß sie nur eine einzige wahre Freude hienieden gekannt hat, nämlich die, allen, welche sie liebte, Freude zu bereiten. Trotzdem bleibt es jedem unbenommen, darüber nach eigenem Belieben zu urtheilen und auf das gelehrteste darzuthun, daß es nicht wahr ist. Meine Aufgabe ist, die Wahrheit zu sagen, aber nicht, sie glaubbar zu machen.
    Alles, was ich so eben erzählt habe, erfuhr ich allmählich aus den Unterhaltungen, welche wir nach unserer Verbindung hatten und die schon allein hinreichend waren, sie mir entzückend zu machen. Sie hatte Recht gehabt zu hoffen, daß mir ihre Gunstbewilligung nützlich sein würde; ich zog für meine Belehrung großen Vortheil daraus. Bis dahin hatte sie, als ob ich noch ein Kind wäre, nur von mir gesprochen. Jetzt begann sie mich als Mann zu behandeln und sprach mit mir von sich. Alles, was sie mir erzählte, war für mich so anziehend, ich fühlte mich davon so gerührt, daß mir, da ich dadurch zum Nachdenken über mich selbst getrieben wurde, ihre vertraulichen Mittheilungen größeren Nutzen brachten als ihre Ermahnungen. Wenn man in Wahrheit fühlt, daß das Herz spricht, öffnet sich das unsere, um seine Ergüsse aufzunehmen, und nie werden sich alle Moralpredigten eines Erziehers mit dem liebevollen und zärtlichen Geplauder einer verständigen Frau vergleichen können, für die man Zuneigung hegt.
    Da ihr das vertraute Verhältnis, in dem ich mit ihr lebte, eine bessere Meinung von mir beigebracht hatte, war sie überzeugt, daß es sich trotz meines linkischen Wesens der Mühe lohnte, mir etwas Weltschliff beizubringen, und daß, wenn ich mich eines Tages in der Welt auf einem gewissen Fuße zeigte, ich auch im Stande sein würde, in ihr weiter zu kommen. In diesem Gedanken befleißigte sie sich nicht allein mein Urtheil, sondern auch mein Aeußeres und mein Benehmen zu bilden und mich eben so liebenswürdig wie achtungswerth zu machen, und ist es möglich, daß sich in der Welt der Erfolg mit der Tugend vereinigen läßt, – was ich meinerseits in Abrede stelle – so bin ich wenigstens sicher, daß es zu dem Zwecke keinen andern Weg giebt, als den sie einschlug und mir zeigen wollte. Denn Frau von Warens kannte die Menschen und verstand in hohem Grade die Kunst, sie ohne Lug und Trug,

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