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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Haare, derselbe Frohsinn, alles bis auf dieselbe Stimme, diese silberhelle Stimme der Jugend, die auf mich stets einen solchen Eindruck machte, daß ich noch heutigen Tages den Ton einer hübschen Mädchenstimme nicht ohne Rührung vernehmen kann.
    Was ich in der Erwartung des Besitzes einer mir so theuren Person zu fürchten hatte, war natürlich der Wunsch, mir ihn schon vorher zu verschaffen und mein Verlangen und meine Einbildungskraft nicht genug beherrschen zu können, um Herr meiner selbst zu bleiben. Man wird sehen, daß in reiferem Alter schon die Vorstellung einiger unbedeutenden Gunstbezeigungen, die ich von der Geliebten zu erlangen hoffte, mein Blut dermaßen in Wallung brachte, daß es mir unmöglich war, ungestraft den kurzen Gang zu ihr hin zurückzulegen. Wie, durch welches Wunder hatte ich in der Blüte meiner Jugend so geringe Sehnsucht nach dem ersten Genuß? Wie konnte ich die Stunde desselben mit mehr Angst als Freude heranrücken sehen? Weshalb fühlte ich anstatt des Wonnetaumels, der mich hätte berauschen müssen, beinahe Widerwillen und Furcht? Es unterliegt keinem Zweifel, daß, hätte ich mich meinem Glück mit Anstand entziehen können, ich es von ganzem Herzen gethan hätte. Ich habe Seltsamkeiten in der Geschichte meiner Liebe zu ihr verheißen; dies ist doch sicherlich eine, die man nicht vermuthet hatte.
    Der schon empörte Leser denkt, daß sie, die doch bereits einem andern Manne angehörte, sich durch diese Theilung ihres Besitzes in meinen Augen herabwürdigte, und daß ein Gefühl der Verachtung die Neigung erkalten machte, welches sie mir eingeflößt hatte; er irrt sich. Allerdings wurde ich durch diese Theilung peinlich berührt, sowohl aus einer sehr natürlichen Empfindlichkeit, als auch weil ich sie in Wahrheit ihrer und meiner wenig würdig fand; aber was meine Gefühle für sie anlangt, so litten sie darunter nicht, und ich kann beschwören, daß ich sie nie zärtlicher liebte, als in dieser Zeit, wo ich mich so wenig nach ihrem Besitze sehnte. Ich kannte ihr keusches Herz und ihr eisiges Temperament zu gut, um auch nur einen Augenblick zu wähnen, daß Sinnenlust irgend einen Antheil an dieser Hingabe ihrer Person hätte. Ich war vollkommen überzeugt, daß lediglich ihre Sorge, mich Gefahren zu entreißen, die sonst fast unvermeidlich waren, und mich ganz mir selbst und meinen Pflichten zu erhalten, sie selber eine Pflicht verletzen ließ, die sie, wie später mitgetheilt werden soll, nicht mit denselben Augen, wie andere Frauen, betrachtete. Ich bedauerte sie und bedauerte mich. Ich hätte ihr sagen mögen: »Nein, Mama, es ist nicht nöthig; auch ohne dieses Opfer bürge ich dir für mich.« Allem ich wagte es nicht, erstlich weil sich dergleichen nicht gut sagen läßt, und dann weil ich im Grunde die Unwahrheit fühlte, weil ich einsah, daß mich in der That nur eine Frau vor den anderen Frauen schützen und vor Versuchungen bewahren konnte. Ohne Verlangen nach ihrem Besitze war ich doch sehr froh, daß sie mir das Verlangen nach dem Besitze anderer Frauen nahm, in so hohem Grade galt mir alles, was mich von ihr abziehen konnte, für ein Unglück.
    Die lange Gewohnheit, zusammen und unschuldig zusammen zu leben, hatte meine Gefühle für sie nicht geschwächt, sondern erst recht verstärkt, ihnen jedoch eine andere Richtung gegeben, welche sie inniger, vielleicht zärtlicher, aber weniger sinnlich machte. Dadurch, daß ich sie Mama nannte, daß ich die Vertraulichkeit eines Sohnes gegen sie an den Tag legte, hatte ich mich gewöhnt, mich als solchen zu betrachten. Darin liegt meines Erachtens mein geringes Verlangen nach ihrem Besitze, so lieb sie mir auch war. Ich erinnere mich sehr wohl, daß meine ersten Gefühle, ohne lebhafter zu sein, von weit wollüstigerer Natur waren. In Annecy war ich wie im Rausche; in Chambery war ich es nicht mehr. Ich liebte sie noch immer mit aller nur möglichen Leidenschaft, aber ich liebte sie mehr um ihrer und weniger um meiner willen, oder ich suchte bei ihr wenigstens mehr mein Glück als meinen Genuß. Sie war für mich mehr als eine Schwester, mehr als eine Mutter, mehr als eine Freundin, ja sogar mehr als eine Geliebte, und deshalb war sie eben keine Geliebte. Kurz, ich liebte sie zu sehr, um ihrer zu begehren, das sprach sich in meinen Gedanken am klarsten aus.
    Der mehr gefürchtete als ersehnte Tag kam endlich. Ich versprach alles und log nicht. Mein Herz bestätigte alle meine Betheuerungen, ohne den Lohn dafür zu

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