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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Empfehlung machte ich mich nach Besançon auf den Weg, der mich durch Genf, wo ich meine Verwandten besuchte, und durch Nyon führte, wo ich zu meinem Vater ging, der mich wie gewöhnlich empfing und die Nachsendung meines Koffers übernahm, welcher, da ich zu Pferde reiste, erst später als ich ankam. Ich treffe in Besançon ein. Der Abbé Blanchard nimmt mich freundlich auf, verspricht mir seinen Unterricht und bietet mir seine Dienste an. Wir wollen bereits beginnen, als ich aus einem Briefe meines Vaters erfahre, daß mein Koffer in Rousses, dem französischen Zollamte an der Schweizer Grenze, mit Beschlag belegt und confiscirt ist. Ueber diese Nachricht erschrocken, bemühe ich mich, durch die Bekanntschaften, welche ich in Besançon bereits gemacht hatte, den Grund dieser Beschlagnahme in Erfahrung zu bringen; denn da ich überzeugt war, keine verbotene Waare gehabt zu haben, konnte ich nicht begreifen, was den Vorwand zu diesem Gewaltacte hatte geben können. Endlich entdeckte ich die Ursache und kann nicht umhin, sie hier anzugeben, da sie doch gar zu seltsam ist.
    Ich verkehrte in Chambery mit einem alten Lyoneser, einem sehr gutmüthigen Manne, Namens Duvivier, der unter der Regentschaft eine Anstellung auf dem Paßamte gehabt, und nach Verlust dieses Amtes bei dem Kataster Beschäftigung gesucht hatte. Er hatte in der großen Welt gelebt, besaß Talente, einige Kenntnisse, ein freundliches und höfliches Wesen und verstand Musik. Da wir ein gemeinschaftliches Arbeitszimmer hatten, so waren wir inmitten der schlecht geleckten Bären in ein ganz besonders freundschaftliches Verhältnis getreten. Er hatte noch immer Verbindungen in Paris, durch die er über jene unbedeutenden Kleinigkeiten, jene flüchtigen Tagesneuigkeiten, die plötzlich, man weiß nicht weshalb, von Mund zu Munde gehen, und wieder ein Ende finden, man weiß nicht wie, und deren niemand je wieder gedenkt, wenn man aufgehört hat, von ihnen zu reden, unterrichtet wurde. Da ich ihn zuweilen zu Mama zum Essen mitnahm, machte er mir in gewisser Weise den Hof und, um sich angenehm zu machen, suchte er mir Geschmack an dergleichen Albernheiten einzuflößen, gegen welche ich stets einen solchen Widerwillen gehabt hatte, daß ich mich mein ganzes Leben lang nicht habe überwinden können, etwas dieser Art für mich allein zu lesen. [Fußnote: Var ... für mich allein zu lesen. Um ihm einen Gefallen zu erweisen, nahm ich diese kostbaren Wische, steckte sie in die Tasche und benutzte sie nur zu dem einzigen Zwecke, zu dem sie gut waren.] Unglücklicherweise blieb eines dieser verwünschten Papiere in der Brusttasche eines neuen Rockes stecken, den ich zwei- oder dreimal getragen hatte, damit ich auf der Grenze keinen Zoll für ihn zu entrichten brauchte. Es enthielt eine in jansenistischer Anschauungsweise geschriebene, ziemlich geistlose Parodie der schönen Scene in Racine's Mithridates. Ich hatte nicht zehn Verse davon gelesen und sie aus Vergeßlichkeit in meiner Tasche gelassen. Hierin fand man genügenden Grund zur Beschlagnahme meiner Habseligkeiten. Die Zollbeamten leiteten das Inhaltsverzeichnis meines Koffers mit einer amtlichen, in feierlichen Worten abgefaßten Erklärung ein, in der sie in der Voraussetzung, daß dieses Schriftstück aus Genf käme, um in Frankreich gedruckt und vertheilt zu werden, in salbungsvollen Worten gegen die Feinde Gottes und der Kirche loszogen und sich in Lobeserhebungen über ihre fromme Wachsamkeit ergingen, welche die Ausführung dieses höllischen Unterfangens verhindert hätte. Unzweifelhaft rochen ihnen meine Hemden ebenfalls nach Ketzerei, denn wegen dieses fürchterlichen Blattes wurde alles confiscirt, ohne daß ich je eine Entschädigung oder auch nur eine Benachrichtigung über den Verbleib meines Reisegepäcks erhalten hätte. Die Finanzbeamten, an die man sich wandte, verlangten so viele Nachweisungen, Aufschlüsse, Zeugnisse und Eingaben, daß ich mich in diesem Labyrinthe tausendmal verirrte und mich gezwungen sah, alles Preis zu geben. Es thut mir wahrlich Leid, diese amtliche Erklärung des Zollamtes zu Rousses nicht aufbewahrt zu haben; sie hätte eine hervorragende Stelle unter den Belegstücken eingenommen, deren Sammlung gleichzeitig mit diesem Werke erscheinen soll.
    Dieser Verlust zwang mich zur sofortigen Rückkehr nach Chambery, ohne den Unterricht des Abbé's Blanchard empfangen zu haben; und da ich, alles wohl erwogen, einsah, daß mich das Unglück bei allen meinen Unternehmungen

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