Rousseau's Bekenntnisse
seitdem immer in mir bemerkt habe. Thörichte Verschwendung hatte ich nur in einer augenblicklichen tollen Laune getrieben; aber bis dahin war ich nie sehr unruhig darüber gewesen, ob ich wenig oder viel Geld hatte. Jetzt begann ich meine Aufmerksamkeit darauf zu lenken und mich um meine Börse zu kümmern. Aus einem sehr edlen Beweggründe wurde ich geizig, denn ich dachte in Wahrheit nur daran, der lieben Mama für die Katastrophe, die ich voraussah, einige Geldmittel anzusammeln. Ich befürchtete, ihre Gläubiger würden ihre Pension mit Beschlag belegen lassen, oder sie könnte ihr ganz entzogen werden, und ich bildete mir nach meinem beschränkten Gesichtskreise ein, daß ihr mein kleiner Schatz dann eine große Hilfe gewähren würde. Aber um ihn zusammen zu sparen und vor allen Dingen ihn sicher zu verwahren, mußte ich ihn ihr verheimlichen, denn bei ihren ewigen Verlegenheiten durfte sie von diesen kleinen Ersparnissen nichts wissen. Ich suchte deshalb bald hier, bald dort einen Versteck, in denen ich einige Goldstücke verbarg, in der Hoffnung, sie bis zu dem Augenblicke, wo ich sie ihr zu Füßen legen wollte, unaufhörlich vermehren zu können. Allein ich war in der Wahl meiner Verstecke so ungeschickt, daß sie sie stets entdeckte; um mir dann zu zeigen, daß sie sie aufgefunden, nahm sie das Gold, welches ich dort versteckt hatte, weg und legte eine noch größere Summe in andern Münzen dafür hin. Ganz beschämt warf ich meinen kleinen Schatz wieder in die gemeinschaftliche Kasse und sie verabsäumte nie, ihn für mich zu verausgaben, indem sie mir dafür Wäsche oder andere Dinge, wie einen silbernen Degen, eine Uhr oder etwas Aehnliches kaufte.
In der festen Überzeugung, daß mir das Zurücklegen nie gelingen und für sie ein geringes Rettungsmittel sein würde, kam ich endlich zu der Einsicht, daß ich wider das von mir befürchtete Unglück keinen andern Ausweg hätte, als mich in den Stand zu setzen, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen, sobald sie, unfähig, länger für mich zu sorgen, der bittersten Noch entgegensehen würde. Da ich leider meine Pläne nach meinen Neigungen entwarf, bestand ich thörichterweise darauf, mein Glück in der Musik zu suchen; gingen mir Motive und Melodien durch den Kopf, so glaubte ich sofort, daß ich, wenn es mir nur gelänge, sie zu verwerthen, auf dem besten Wege wäre, ein berühmter Mann zu werden, ein moderner Orpheus, dessen Töne alle Schätze Perus herbeilocken würden. Nachdem ich angefangen hatte, die Noten ziemlich geläufig zu lesen, handelte es sich jetzt für mich darum, die Compositonslehre zu lernen. Die Schwierigkeit war, einen geeigneten Lehrer zu finden, denn mit meinem bloßen Rameau glaubte ich mir selbst nicht weiter helfen zu können, und seit Le Maitres Abreise gab es in ganz Savoyen niemanden, der von der Harmonielehre etwas verstand.
Hierbei wird man wieder eine jener Inconsequenzen wahrnehmen, deren so viele in meinem Leben vorkommen und die mich oft von meinem Ziele entfernt haben, wenn ich unmittelbar auf dasselbe zuzugehen dachte. Venture hatte mir viel von dem Abbé Blanchard, seinem Lehrer in der Composition, einem sehr begabten und talentvollen Manne erzählt, der damals Kapellmeister an der Kathedrale zu Besançon war und es jetzt an der Kapelle von Versailles ist. Ich setzte mir in den Kopf, nach Besançon zu gehen, um beim Abbé Blanchard Unterricht zu nehmen, und dieser Gedanke kam mir so vernünftig vor, daß es mir gelang, ihn auch Mama annehmbar zu machen. So nahm sie denn die Anfertigung meiner kleinen Ausstattung vor und that es mit der Verschwendung, die sie in jeder Sache trieb. Trotz der beständigen Absicht, ihren Bankerott zu verhüten und die Folgen ihrer Verschwendung in der Zukunft auszugleichen, verursachte ich ihr auf diese Weise zunächst eine Ausgabe von achthundert Franken; ich beschleunigte also ihren Untergang, um mich in den Stand zu setzen, ihm vorzubeugen. So albern dieses Treiben war, so vollkommen war doch meine wie ihre Verblendung. Wir waren beide überzeugt, ich, daß meine Bemühung ihr, sie, daß dieselbe mir zum Nutzen gereichte.
Ich hatte darauf gerechnet, Venture noch in Annecy zu finden, da ich ihn um einen Empfehlungsbrief an den Abbé Blanchard bitten wollte. Er war nicht mehr da. Statt aller weiteren Auskunft über ihn mußte ich mich mit einer vierstimmigen, von ihm selbst niedergeschriebenen Messe eigener Composition begnügen, die er mir zurückgelassen hatte. Mit dieser
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