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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Anhänger verschafft zu haben, die im Stande waren, ihn zu schützen.
    Eine unglückliche Rücksicht hielt sie ab. Sie wagte nicht, ihr garstiges Haus aufzugeben, aus Furcht, den Besitzer zu erzürnen. »Dein Plan eines zurückgezogenen Lebens ist reizend,« sagte sie zu mir, »und ganz nach meinem Geschmack; aber in dieser Zurückgezogenheit bedarf man des Unterhalts. Wenn ich mein Gefängnis verlasse, laufe ich Gefahr, mein Brot zu verlieren, und wenn es uns in den Wäldern fehlt, werden wir doch wieder in die Stadt zurückkehren müssen, um es dort zu suchen. Um es nicht erst nöthig zu haben, wollen wir sie nicht ganz verlassen. Bezahlen wir dem Grafen von Saint-Laurent diese kleine Pension, damit er mir die meinige läßt. Suchen wir irgend einen abgelegenen Versteck, weit genug von der Stadt, um in der Stille zu leben, und nahe genug, um jederzeit zu ihr gelangen zu können.« So geschah es denn. Nach kurzem Suchen übersiedelten wir nach Charmettes, einem zwar vor dem Thore von Chambery gelegenen Gute des Herrn von Conzié, das aber trotzdem so versteckt und einsam lag, als wäre man hundert Meilen davon. Zwischen zwei ziemlich hohen, mit Wein bebauten Hügeln zieht sich ein kleines Thal von Norden nach Süden hin, auf dessen Grunde sich ein Bach zwischen Steinen und Bäumen hindurchwindet. Dieses Thal entlang liegen auf halber Bergeshöhe einzelne Häuser zerstreut in recht angenehmer Lage für jemand, der die Einsamkeit liebt. Nachdem wir zwei oder drei von diesen Häusern besichtigt hatten, wählten wir endlich das hübscheste, welches einem Herrn Noiret, einem im Dienst stehenden Edelmanne gehörte. Das Haus war sehr wohnlich. Vor demselben befand sich ein terrassenförmiger Blumengarten, über ihm ein Weingarten, unter ihm ein Obstgarten; gegenüber ein kleines Kastanienwäldchen, in geringer Entfernung eine Quelle; höher im Gebirge Wiesen zum Unterhalt des Viehs, kurz alles, was wir für die kleine Landwirthschaft, die wir treiben wollten, nöthig hatten. So weit ich mich zu erinnern vermag, nahmen wir gegen Ende des Sommers 1736 davon Besitz. Ich war am ersten Tage, als wir dort schliefen, außer mir vor Wonne. »O Mama,« sagte ich zu dieser theuren Freundin, indem ich sie umarmte und mit Thränen der Rührung und Freude benetzte, »hier ist die Heimat des Glückes und der Unschuld. Wenn wir hier nicht beides finden, brauchen wir es nirgends zu suchen.« [Fußnote: Das Haus, welches Rousseau mit Frau von Warens in Charmettes bewohnte, trägt folgende Inschrift, die Herault de Sechelles im Jahre 1792 an ihm anbringen ließ, als er Bevollmächtigter des Convents im Departement Mont-Blanc war:

Réduit par Jean-Jacque habité.
Tu me rapelles son genie,
Sa solitude, sa fierté
Et ses malheurs et sa folie

A la gloire, à la verité Il osa consacrer sa vie,
Et fut toujours persécuté
Ou par lui-même, ou par l'envie. ]

Sechstes Buch.
1736
Hoc erat in votis: modus agri non ita magnus,
Hortus ubi, et tecto vicinus iugis aquae fons;
Et paulum silvae super his foret ...
     
    Ich kann jedoch nicht hinzufügen:
auctius atque
Di melius fecere.
     
    Allein das thut nichts, denn ich hatte nicht mehr nöthig, ich hatte es nicht einmal als Eigenthum nöthig; der Genuß genügte mir, und schon vor langer Zeit habe ich es gefühlt und ausgesprochen, daß Eigentümer und Inhaber oft zwei sehr verschiedene Personen sind, auch wenn man dabei die Begriffe Mann und Liebhaber ganz bei Seite läßt.
    Hier beginnt das kurze Glück meines Lebens; hier erscheinen die friedlichen aber flüchtigen Augenblicke, welche mir das Recht gegeben haben zu sagen, daß ich gelebt habe. Köstliche und sehnlich wieder zurückgewünschte Augenblicke! Ach, kehret noch einmal wieder mit eurem Zauberrausch und ziehet, so es möglich ist, in der Erinnerung langsamer an mir vorüber, als ihr es in eurer schnellen Flucht in Wahrheit thatet. Wie soll ich es anstellen, um nach meiner Herzensneigung diese rührende und doch so einfache Schilderung auszudehnen, um stets das Nämliche zu erzählen und wieder zu erzählen und dabei doch den Leser nicht durch die Wiederholung von Dingen zu langweilen, bei denen ich mich selbst nicht langweilte, so oft ich sie auch von neuem erlebte? Wenn dies alles noch in Thatsachen, in Handlungen, in Worten bestände, würde ich es schildern und in irgend einer Weise wiedergeben können; allein wie etwas zum Ausdruck bringen, was weder gesagt noch gethan, nicht einmal gedacht, sondern nur empfunden, nur gefühlt wurde,

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