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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Schauplatz, auf dem ich mich bewegte, im Hause einer schönen Frau, während ich ihr Bild in der Tiefe meines Herzens trug, sie am Tage unaufhörlich sah, am Abende von Gegenständen, die mich an sie erinnerten, umgeben war, und in einem Bette schlief, in welchem, wie ich wußte, auch sie gelegen hatte. Welche Reizungen! Mancher Leser, der sie sich vergegenwärtigt, wird mich schon als halbtodt betrachten. Ganz im Gegentheile, was mich hätte ins Verderben stürzen sollen, rettete mich auf einige Zeit. Berauscht von der Wonne, an ihrer Seite leben zu können, von dem glühenden Verlangen, alle meine Tage bei ihr zuzubringen, erblickte ich, ob ich bei ihr weilte oder fern von ihr war, in ihr stets eine zärtliche Mutter, eine geliebte Schwester, eine liebenswürdige Freundin und nichts weiter. Ich sah sie stets so, stets die nämliche, und sah nichts als sie. Ihr Bild, das meinem Herzen immerdar gegenwärtig war, gönnte keinem anderen darin Platz. Sie war für mich die einzige Frau, die es auf Erden gab, und da die ungemeine Süßigkeit der Gefühle, die sie mir einflößte, meiner Sinnlichkeit nicht die Zeit ließ, sich für Andere zu erregen, schützte sie mich vor ihr selber und ihrem ganzen Geschlechte. Kurz, ich war keusch, weil ich sie liebte. Möge nach diesen Wirkungen, die ich nur flüchtig andeute, wer es im Stande ist, sagen, welcher Art mein Verhältnis zu ihr war. Alles, was ich für meine Person darüber sagen kann, ist, daß wenn es jetzt schon sehr außergewöhnlich zu sein scheint, es später diesen Anschein noch weit mehr erhalten wird.
    Ich brachte meine Zeit auf die angenehmste Weise von der Welt zu, obgleich ich mit Dingen beschäftigt war, für die ich sonst am wenigsten Lust empfand. Mir lag es ob, ihre Pläne auszuarbeiten, Denkschriften ins Reine zu schreiben, Recepte abzuschreiben; ferner mußte ich Kräuter auslesen, Droguen stoßen, den Destillirkolben handhaben. Unter allen diesen Arbeiten erschienen eine Unmasse Reisender, Bettler und Besucher aller Art. Es galt zu gleicher Zeit einen Soldaten, einen Apotheker, einen Domherrn, eine schöne Dame, einen Laienbruder zu unterhalten. Ich fluchte, ich brummte, ich wünschte das ganze Gesindel zum Teufel. Sie dagegen, die alles von der heitern Seite auffaßte, wollte sich über meine Wuth halb todt lachen, und was ihr Gelächter immer mehr erregte, war, mitansehen zu müssen, wie ich immer wüthender wurde, je weniger ich mich selbst des Lachens enthalten konnte. Diese kleinen Unterbrechungen, in denen ich das Vergnügen hatte, mich auszubrummen, waren reizend, und wenn noch ein neuer Aufdringling während des Zankes dazu kam, so wußte sie diesen Umstand für unsere Erheiterung zu benutzen, indem sie den Besuch boshafter Weise zu verlängern suchte und mir dabei Blicke zuwarf, für die ich ihr hätte Schläge geben mögen. Sie hatte Mühe, sich eines Lachanfalles zu erwehren, wenn sie sah, wie ich, durch den Anstand zurückgehalten, sie wie ein Besessener anblickte, während ich im Grunde meines Herzens und zu meinem eigenen Aerger das alles sehr drollig fand.
    Obwohl ich an diesem allen nicht an sich Gefallen fand, so machte es mir trotzdem Freude, weil es zu einem Wesen gehörte, das ich bezaubernd fand. Nichts von dem, was um mich her geschah, nichts von allem, was man mich thun ließ, entsprach meiner Neigung, aber alles that meinem Herzen wohl. Ich glaube, ich hätte es noch dahin gebracht, die Arzneikunst zu lieben, wenn mein Widerwille gegen dieselbe nicht tolle Auftritte hervorgerufen hätte, die uns unaufhörlich belustigten; vielleicht hat diese Kunst zum ersten Male eine solche Wirkung hervorgebracht. Ich behauptete, ein medicinisches Buch am Geruche zu erkennen, und das Spaßhafte dabei ist, daß ich mich selten irrte. Sie ließ mich die abscheulichsten Droguen kosten. Vergeblich ergriff ich die Flucht oder suchte mich zu wehren. Meinem Widerstande und meinen schrecklichen Grimassen zum Trotze, mir und meinen Zähnen zum Trotz, mußte ich, wenn ich ihre niedlichen, schmierigen Finger sich meinem Munde nähern sah, ihn doch endlich öffnen und sie ablecken. Wenn ihr ganzer kleiner Hausstand in demselben Zimmer versammelt war, hätte man, wenn man uns laufen und schreien und lachen gehört, glauben müssen, daß man dort irgend ein Possenspiel aufführte, und nicht, daß man dort Opiate und Elixire verfertigte.
    Meine Zeit wurde jedoch nicht völlig von diesen Possen in Anspruch genommen. Ich hatte in dem mir angewiesenen Zimmer

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