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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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lange Spaziergänge. Zufrieden, zu lieben und es bekennen zu dürfen, hätte ich glücklich sein können, wenn meine Albernheit diesem angenehmen Verhältnisse nicht selbst allen Reiz genommen hätte. Anfangs begriff sie nichts von der thörichten Verstimmung, mit der ich ihre Aufmerksamkeiten aufnahm; aber mein Herz, unfähig, je eine der Empfindungen, die es bewegten, zu verhehlen, ließ sie nicht lange über meinen Argwohn in Unkenntnis. Sie wollte darüber lachen; dieses Mittel hatte keinen Erfolg, Wuthausbrüche wären die Folge gewesen. Sie änderte deshalb den Ton. Ihre mitleidige Sanftmuth war unüberwindlich; sie machte mir Vorwürfe, die mir zu Herzen gingen; sie zeigte mir über meine ungerechten Befürchtungen eine Unruhe, die ich mißbrauchte. Ich verlangte Beweise, daß sie sich nicht über mich lustig machte. Sie sah, daß es zu meiner Beruhigung kein anderes Mittel gab. Ich wurde dringend; der geforderte Beweis war zarter Natur. Es ist wunderbar, es ist vielleicht einzig dastehend, daß sich eine Frau, die schon bis zum Feilschen hat kommen können, so leichten Kaufs aus der Sache gezogen hat. Sie verweigerte mir nichts, was die zärtlichste Freundschaft gewähren konnte; sie gewährte mir nichts, was sie hätte untreu machen können, und ich hatte die Demüthigung zu sehen, daß der Brand, zu dem ihre leichten Gunstbezeigungen meine Sinnlichkeit entzündeten, nicht den geringsten Funken in der ihrigen anfachte.
    Ich habe irgendwo [Fußnote: Neue Heloise, dritte Abtheilung, Brief XVIII.] gesagt, daß man der Sinnlichkeit nichts einräumen dürfe, wenn man ihr etwas zu verweigern beabsichtigt. Um zu zeigen, wie falsch dieser Grundsatz bei Frau von Houdetot war, und wie recht sie hatte, sich auf sich selbst zu verlassen, müßte ich in die Einzelheiten unsrer langen und häufigen Zusammenkünfte unter vier Augen eingehen und sie während der vier Monate, die wir zusammen zubrachten, in ihrer ganzen Lebhaftigkeit, in einer bei Freunden verschiedenen Geschlechtes, die die selbstgezogenen Grenzen wie wir nie überschritten, fast beispiellosen Innigkeit schildern. Ach, wenn ich so lange gesäumt hatte, die wahre Liebe zu fühlen, wie viel mußte dann mein Herz und meine Sinnlichkeit entbehrt haben! Und welche Wonne muß man dann bei einem geliebten Gegenstande, der uns wieder liebt, empfinden, wenn schon eine ungetheilte Liebe, so große zu bereiten vermag!
    Aber ich habe Unrecht, von einer ungeteilten Liebe zu reden; die meinige wurde in gewisser Weise getheilt; sie war auf beiden Seiten gleich, wenn sie auch nicht gegenseitig war. Wir waren beide von Liebe trunken, sie für ihren Geliebten, ich für sie; unsere Seufzer, unsere Wonnethränen vermischten sich. Gegenseitig zärtliche Vertraute harmonirten unsere Gefühle so vielfach mit einander, daß sie sich nothwendig in etwas vermischen mußten, und mitten in dieser gefahrvollen Trunkenheit hat sie sich gleichwohl nie einen Augenblick vergessen; und ich betheure, ich beschwöre, daß ich sie in Wahrheit nie begehrt habe, wenn ich auch zuweilen, von meiner Sinnlichkeit verleitet, sie untreu zu machen versucht habe. Die Heftigkeit meiner Leidenschaft war sie selbst im Stande in Schranken zu halten. Die Pflicht der Enthaltsamkeit hatte meine Seele erhitzt. Der Glanz aller Tugenden zierte in meinen Augen den Abgott meines Herzens; die Beschmutzung des göttlichen Bildes wäre seine Vernichtung gewesen. Ich würde das Verbrechen haben begehen können, es ist in meinem Herzen hundertmal begangen worden; aber meine Sophie herabwürdigen! O, wäre das je möglich gewesen? Nein, nein, ich habe es ihr selbst hundertmal gesagt: wäre mir Gelegenheit zu meiner Befriedigung gegeben worden, hätte sie sich mir aus eigenem Willen ergeben, so würde ich mich, einige kurze Augenblicke des Wahnsinns abgerechnet, geweigert haben, um diesen Preis glücklich zu sein. Ich liebte sie zu sehr, um sie besitzen zu wollen.
    Die Eremitage ist von Eaubonne fast eine Meile entfernt; auf meinen vielen Besuchsreisen trug es sich bisweilen zu, daß ich dort übernachten mußte. Als wir eines Abends allein mit einander zu Nacht gespeist hatten, gingen wir bei sehr schönem Mondscheine im Garten spazieren. Hinten im Garten war ein ziemlich großes Gehölz, welches wir durchschritten, um einen reizenden mit einer Cascade geschmückten Hain aufzusuchen. Zu letzterer hatte ich die Idee angegeben und auch den Bau geleitet. Ewige Erinnerung an Unschuld und Seligkeit! In diesem Hain war es, wo

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