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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Jahreszeit gab mir meine Kräfte keineswegs wieder, und ich brachte das ganze Jahr 1758 in einem Zustande von Ermattung zu, der mich zu dem Glauben brachte, daß mein Ende nahe wäre. Ich sah es mit einer Art von Eifer heranrücken. Von den Hirngespinsten der Freundschaft zurückgekommen, von allem losgelöst, was mich mit Liebe zum Leben erfüllt hatte, sah ich in ihm nichts mehr, was es mir hätte angenehm machen können; ich sah darin nur noch Leiden und Elend, die mich nicht zur Freude an mir selbst gelangen ließen. Ich sehnte mich nach dem Augenblicke der Freiheit und Errettung vor meinen Feinden. – Aber nehmen wir den Faden der Ereignisse wie«der auf.
    Mein Rückzug nach Montmorency schien Frau von Epinay aus der Fassung zu bringen; wahrscheinlich hatte sie das nicht vermuthet. Mein trauriger Zustand, die Strenge der Jahreszeit, die völlige Verlassenheit, in der ich mich befand, alles hatte ihnen, nämlich Grimm und ihr, den Glauben beigebracht, daß sie, wenn sie mich bis zum Aeußersten trieben, mich nöthigen könnten, um Gnade zu bitten und mich auf das tiefste zu erniedrigen, um in dem Asyle gelassen zu werden, das mir die Ehre aufzugeben gebot. Ich zog so rasch aus, daß sie nicht Zeit hatten, den Streich abzuwenden, und sie hatten nur die Wahl, alles auf das Spiel zu setzen und mich vollends zu verderben, oder den Versuch zu machen, mich zurückzuführen. Grimm entschied sich für das Erste; ich glaube indessen, daß Frau von Epinay dem andern den Vorzug gegeben hätte. Ich schließe dies aus ihrer Antwort auf meinen Brief, in der sie den Ton, welchen sie in den vorangehenden angeschlagen hatte, bedeutend herabstimmt und die Thüre zur Versöhnung zu öffnen scheint. Die lange Verzögerung dieser Antwort, auf welche sie mich einen vollen Monat warten ließ, verräth zur Genüge die Verlegenheit, in der sie sich befand, ihr eine passende Wendung zu geben, und die Ueberlegungen, die sie vorher anstellte. Sie konnte nicht entgegenkommender sein, ohne sich bloßzustellen, aber nach ihren vorhergehenden Briefen und nach meinem schnellen Verlassen ihres Hauses kann man sich nur über die Mühe wundern, die sie sich in diesem Briefe giebt, kein einziges unhöfliches Wort einfließen zu lassen. Ich will ihn hier wortgetreu veröffentlichen, damit man sich selbst ein Urtheil darüber bilde (Heft B, Nr. 23):
    Genf, den 17. Januar 1758.
    »Ihren Brief vom 17. December habe ich, mein Herr, erst gestern erhalten. Man hat ihn mir in einem mit verschiedenen Dingen angefüllten Kästchen übersandt, das diese ganze Zeit unterwegs gewesen ist. Ich will nur auf die Nachschrift antworten; was den Brief selbst anlangt, so verstehe ich ihn nicht vollkommen, und ich möchte, wenn wir uns darüber aussprechen könnten, alles Vorgefallene gern einem Mißverständnisse zuschreiben. Ich komme auf die Nachschrift zurück. Sie werden sich entsinnen, mein Herr, daß wir verabredet hatten, der Lohn des Gärtners der Eremitage sollte durch Ihre Hände gehen, um ihm seine Abhängigkeit von Ihnen besser fühlbar zu machen und Sie vor solchen eben so lächerlichen wie unanständigen Auftritten zu bewahren, wie sie sein Vorgänger herbeigeführt hatte. Der Beweis dafür ist, daß Ihnen die ersten Quartale seines Gehaltes eingehändigt sind, und ich wenige Tage, vor meiner Abreise mit Ihnen verabredet hatte, Ihnen Ihre Vorschüsse zurückerstatten zu lassen. Ich weiß, daß Sie sich anfangs dagegen sträubten; aber diese Vorschüsse haben Sie auf meine Bitte gemacht, ich mußte sie Ihnen also selbstverständlich ersetzen, und wir haben uns darüber geeinigt. Nach Cahouets Bericht haben Sie dieses Geld durchaus nicht annehmen wollen. Sicherlich findet hier ein Quidproquo statt. Auf meinen Befehl wird man es Ihnen noch einmal bringen, und ich begreife nicht, weshalb Sie trotz unserer Verabredung meinen Gärtner bezahlen wollen und noch dazu sogar über die Zeit hinaus, während der Sie die Eremitage bewohnt haben. Ich verlasse mich, mein Herr, deshalb darauf, daß Sie in Erinnerung alles dessen, was ich Ihnen zu sagen die Ehre habe, die Rückerstattung des Vorschusses nicht ablehnen werden, den Sie für mich zu machen so gütig waren.«
    Nach allem Vorgefallenen wollte ich, da ich zu Frau von Epinay kein Zutrauen mehr fassen konnte, nicht wieder mit ihr anknüpfen; ich ließ diesen Brief deshalb unerwidert, und unser Briefwechsel hatte damit ein Ende. Als sie meinen festen Entschluß erkannte, faßte sie den ihrigen und, nun auf alle

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