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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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dem der Boden damals bedeckt war, schlafen müssen, und was auch immer Frau von Houdetot dagegen sagen und thun konnte; denn ich wollte ihr zwar in allem willfährig sein, aber nicht so weit, daß es mir zur Schande gereichte.
    Ich befand mich in der furchtbarsten Verlegenheit, in der ich je gewesen bin, aber mein Entschluß war gefaßt; ich schwor, was sich auch immer ereignen möchte, in acht Tagen nicht mehr auf der Eremitage zu schlafen. Ich fing an, mein Hab und Gut fortzuschaffen, entschlossen, es lieber auf freiem Felde zu lassen, als die Schlüssel nicht bis zum achten Tage zurückzugeben, denn ich wünschte namentlich, daß alles abgemacht wäre, ehe man nach Genf schreiben und Antwort erhalten könnte. Mich beseelte ein Muth, wie ich ihn noch nie in mir gefühlt hatte; alle meine Kräfte waren zurückgekehrt. Ehre und Empörung erfüllten mich mit einer Stärke, auf welche Frau von Epinay nicht gerechnet hatte. Das Glück unterstützte meine Kühnheit. Herr Mathas, Fiscal des Prinzen von Condé, hörte von meiner Verlegenheit. Er ließ mir ein kleines Haus anbieten, welches er in seinem Garten zu Mont-Louis in Montmorency besaß. Ich ging eifrig und dankbar auf sein Anerbieten ein. Wir wurden über die Miethe bald einig; ich ließ zu den Möbeln, die ich schon hatte, schnell noch einige andere kaufen, um Therese und mich mit dem Nöthigsten zu versehen. Ich ließ meine Habseligkeiten mit großer Mühe und großen Kosten wegschaffen. Trotz Eis und Schnee wurde mein Umzug in zwei Tagen vollendet, und den 15. December gab ich die Schlüssel zur Eremitage zurück, nachdem ich dem Gärtner seinen Lohn ausgezahlt hatte, da ich meine Miethe nicht bezahlen konnte.
    Der Frau Le Vasseur erklärte ich die Notwendigkeit unserer Trennung. Ihre Tochter wollte mich davon zurückbringen; ich war unbeugsam. Ich ließ sie in der Landkutsche nach Paris fahren und alle Sachen und Möbel mitnehmen, die sie mit ihrer Tochter gemeinschaftlich besaß. Ich gab ihr etwas Geld und verpflichtete mich, ihr bei ihren Kindern oder anderswo die Miethe zu bezahlen, nach besten Kräften für ihren Unterhalt zu sorgen und es ihr nie an Brot fehlen zu lassen, so lange ich selbst etwas haben würde.
    Zuletzt schrieb ich am zweiten Tage nach meiner Ankunft zu Mont-Louis an Frau von Epinay folgenden Brief:
    Montmorency, den 17. December 1757.
    »Nichts ist so einfach und so nothwendig, gnädige Frau, als mich aus Ihrem Hause zu entfernen, wenn Sie mein längeres Dableiben nicht genehmigen. In Folge Ihrer Weigerung, mir zu gestatten, daß ich noch den Rest des Winters auf der Eremitage zubrächte, habe ich sie am 15. December verlassen. Mein Verhängnis wollte, daß ich sie wider meinen Willen bezog und in gleicher Weise von ihr schied. Ich danke Ihnen für den Aufenthalt daselbst, den Sie mir aufgedrungen haben, und ich würde Ihnen noch erkenntlicher dafür sein, wenn ich ihn weniger theuer bezahlt hätte. Uebrigens haben Sie Recht, mich für unglücklich zu halten. Niemand in der Welt weiß besser als Sie, wie sehr ich es sein muß. Wenn es ein Unglück ist, sich in der Wahl seiner Freunde zu täuschen, so ist es ein anderes, nicht weniger schmerzliches, von einem so süßen Irrthume zurückzukommen.«
    Das ist die treue Berichterstattung über meinen Aufenthalt in der Eremitage und die Gründe, die mein Scheiden von dort veranlaßt haben. Es war mir unmöglich, aus dieser Erzählung etwas fortzulassen, und es war mir von Wichtigkeit, sie mit größter Genauigkeit bis zu Ende zu führen, da dieser Abschnitt meines Lebens auf die folgenden einen Einfluß gehabt hat, der sich bis zu meinem letzten Tage erstrecken wird.

Zehntes Buch.
1758
    Die wunderbare Kraft, die mir eine vorübergehende Aufwallung eingeflößt hatte, die Kraft, die Eremitage zu verlassen, verschwand, sobald ich fortgezogen war. Kaum war ich in meiner neuen Wohnung eingerichtet, als sich zu heftigen und zahlreichen Anfällen der Harnverhaltung eine neue Belästigung durch einen Bruch gesellte, der mich seit einiger Zeit quälte, ohne daß ich sein Vorhandensein wußte. Bald war ich eine Beute der schmerzhaftesten Krankheitserscheinungen. Mein alter Freund, der Arzt Thierry, besuchte mich und klärte mich über meinen Zustand auf. Sonden, Harnröhrchen, Bruchbänder, alle um mich her vereinte Schutzmittel gegen die Gebrechlichkeit des Alters ließen mich hart fühlen, daß man nicht mehr ungestraft ein junges Herz hat, sobald der Körper aufgehört, es zu sein. Die schöne

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