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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Wirkung des Ganzen entsprach der Ueberlegenheit seines Talentes.
    Da er den Vortheil einsah, welchen er aus unsern beiderseitigen Stellungen ziehen konnte, entwarf er mit diesem überlegenen Talente den Plan, meinen Ruf völlig zu vernichten und mir den gerade entgegengesetzten zu verschaffen, ohne sich bloßzustellen, indem er rings um mich her eine Wand von Finsternis zu errichten begann, die es mir zu durchdringen unmöglich war, um seine Kunstgriffe aufzuhellen, und ihn zu entlarven.
    Dieses Unternehmen war insofern schwierig, als er dessen Schlechtigkeit in den Augen derjenigen, welche dabei seine Helfershelfer sein sollten, bemänteln mußte. Er mußte die Ehrenmänner täuschen; er mußte jedermann von mir entfernen, mir nicht einen einzigen Freund lassen, weder einen großen noch einen kleinen. Was sage ich? Er durfte nicht ein einziges Wort der Wahrheit zu mir dringen lassen. Wäre ein einziger edelgesinnter Mann zu mir gekommen, um mir zu sagen: »Sie spielen den Tugendhaften, aber hören Sie, wie man Sie behandelt und wie man über Sie urtheilt. Was sagen Sie dazu?« Die Wahrheit hätte triumphirt, und Grimm wäre verloren gewesen. Er wußte es; aber er hat sein eigenes Herz geprüft und die Menschen nur nach dem geschätzt, was sie werth sind. Um der Ehre der Menschheit willen betrübt es mich, daß er so richtig gerechnet hat.
    Wollte er auf solchen Schleichwegen einhergehen, mußten seine Schritte, um sicher zu sein, langsam sein. Seit zwölf Jahren verfolgt er seinen Plan, und das Schwierigste, das ganze Publikum zu betrügen, bleibt noch zu thun. Es giebt noch Augen, die ihm in größerer Nähe gefolgt sind, als er denkt. Er befürchtet es und hat noch nicht den Muth, seinen Anschlag offen dem hellen Tageslichte auszusetzen. [Fußnote: Seitdem dies geschrieben ist, hat er den Schritt mit dem vollsten und unbegreiflichsten Erfolge gethan. Ich glaube, daß ihm Tronchin den Muth und die Mittel gegeben hat.] Aber er hat das wenig schwierige Mittel gefunden, die Macht zum Beitritt zu bestimmen, und diese Macht hat das Verfügungsrecht über mich. Von diesem Beistand unterstützt, schreitet er mit weniger Gefahr vorwärts. Da sich die Satelliten der Macht für gewöhnlich nicht viel auf ihre Redlichkeit und noch viel weniger auf ihren Freimuth etwas zu Gute thun, so hat er die Unbedachtsamkeit eines Ehrenmannes nicht leicht zu befürchten, denn er hat vor allem nöthig, daß ich von undurchdringlicher Finsternis umgeben und mir seine Verschwörung fortwährend verborgen sei, weil er wohl weiß, daß sie, wie künstlich er sie auch angezettelt haben möge, meine Blicke doch nie aushalten würde. Seine große Geschicklichkeit besteht darin, daß er unter dem Scheine der Schonung meinen Ruf untergräbt und seiner Treulosigkeit noch den Anschein des Edelmuthes giebt.
    Die ersten Wirkungen dieses Systems nahm ich an den heimlichen Anschuldigungen der Holbachschen Sippschaft wahr, ohne daß es mir zu erfahren, ja auch nur zu ahnen möglich war, worin sie eigentlich bestanden. Deleyre behauptete in seinen Briefen, daß man mir allerlei Schlechtigkeiten nachsagte; Diderot berichtete mir in noch geheimnisvollerer Weise das Nämliche, und wenn ich mich mit ihnen in eine Besprechung einließ, so lief alles auf die oben erwähnten Hauptanklagen hinaus. In Frau von Houdetots Briefen fiel mir eine zunehmende Erkaltung auf. Saint-Lambert, der nach wie vor mit gleicher Freundschaft an mich schrieb und mich nach seiner Rückkehr sogar besuchte, konnte ich diese Erkaltung nicht zuschreiben. Eben so wenig konnte ich mir selbst die Schuld beimessen, da wir uns in voller Eintracht getrennt hatten und seit jener Zeit meinerseits nichts geschehen war als mein Verlassen der Eremitage, dessen Notwendigkeit sie selbst eingesehen hatte. Da ich also nicht wußte, wie ich mir diese Erkaltung, die sie nicht zugab, über die sich aber mein Herz nicht täuschen ließ, erklären sollte, war ich bei allem unruhig. Ich wußte, daß sie wegen ihres Verhältnisses mit Saint-Lambert gegen ihre Schwägerin und Grimm mit äußerster Schonung verfuhr; ich fürchtete deren Werk. Diese Aufregung öffnete wieder meine Wunden und machte meinen Briefwechsel bis zu dem Grade stürmisch, daß er ihr völlig verleidet wurde. Ich witterte tausenderlei Schmerzliches, ohne etwas klar zu sehen. Für einen Menschen, dessen Einbildungskraft sich leicht entzündet, befand ich mich in der traurigsten Lage. Wäre ich ganz alleinstehend gewesen, hätte ich nichts

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