Rousseau's Bekenntnisse
nicht mehr für passend halten, sich zu sehen.
Ein anderer Vortheil, den mir dieses Gastmahl brachte, war, daß man in Paris davon sprach, und es als klare Widerlegung des von meinen Feinden überall verbreiteten Gerüchtes diente, ich wäre mit allen, die daran Theil nahmen, und namentlich mit Herrn von Epinay, tödtlich überworfen. Als ich die Eremitage verließ, hatte ich ihm in höflichster Weise meinen Dank ausgesprochen, worauf er nicht weniger höflich antwortete, und die gegenseitigen Aufmerksamkeiten hörten bei ihm eben so wenig wie bei seinem Bruder, dem Herrn von Lalive auf, der mich sogar in Montmorency besuchte und mir seine Kupferstiche schickte. Mit Ausnahme der beiden Schwägerinnen der Frau von Houdetot habe ich nie mit einer Person aus ihrer Familie auf schlechtem Fuße gestanden.
Mein Brief an d'Alembert hatte einen großen Erfolg. Alle meine Werke hatten ihn gehabt, aber dieser war für mich vortheilhafter. Er flößte dem Publikum Mißtrauen gegen die Verdächtigungen der Holbachianer ein. Als ich nach der Eremitage zog, sagten sie mit ihrem gewöhnlichen Eigendünkel voraus, ich würde dort nicht drei Monate aushalten. Als sie sahen, daß ich dort zwanzig ausgehalten hatte und gezwungen von dort zu scheiden, meinen Wohnsitz noch immer auf dem Lande beibehielt, behaupteten sie, es wäre reine Halsstarrigkeit, mein zurückgezogenes Leben langweilte mich bis zum Tode, aber von Stolz verzehrt wollte ich dort lieber als Opfer meiner Hartnäckigkeit zu Grunde gehen als nachgeben und nach Paris zurückkehren. Der Brief an d'Alembert athmete eine Seelenmilde, der man es anmerkte, daß sie nicht erkünstelt war. Wäre ich in meiner Zurückgezogenheit von übler Laune verzehrt worden, würde mein Ton es verrathen haben. Er herrschte in allen Schriften, die ich in Paris verfaßt hatte; er herrschte nicht mehr in der ersten, die ich auf dem Lande geschrieben. Für die, welche zu beobachten wissen, war dieses Anzeichen entscheidend. Man erkannte, daß ich wieder in mein Element gekommen war.
Trotzdem verschaffte mir das nämliche Werk, so voller Milde es auch war, durch meine Tölpelhaftigkeit oder mein gewöhnliches Unglück einen neuen Feind unter den Schriftstellern. Ich hatte bei Herrn De la Poplinière Marmontels Bekanntschaft gemacht, und diese hatte sich bei dem Baron erhalten. Marmontel gab damals den » Mercure de France « heraus. Da ich den Stolz besaß, den Herausgebern von Zeitschriften meine Werke nicht zu senden, und ihm dieses gleichwohl schicken wollte, ohne daß er glauben sollte, es wäre eine Gabe für den Redacteur, damit er es im »Mercure« einer Besprechung unterzöge, so schrieb ich auf sein Exemplar, es wäre nicht für den Herausgeber des »Mercure«, sondern für Herrn Marmontel bestimmt. Ich vermeinte ihm eine sehr schöne Schmeichelei zu sagen, er glaubte darin eine tief kränkende Beleidigung zu sehen und wurde mein unversöhnlicher Feind. Er schrieb gegen diesen nämlichen Brief mit Höflichkeit, aber mit einer Bitterkeit, die unschwer zu erkennen ist, und seitdem hat er keine Gelegenheit versäumt, mir in der Gesellschaft zu schaden und mich in seinen Werken indirect zu geißeln. So schwer ist es, die sehr reizbare Eigenliebe der Schriftsteller zu schonen, und so besorgt muß man sein, unter den Höflichkeiten, die man ihnen sagt, nichts vorzubringen, was auch nur den geringsten Schein der Zweideutigkeit haben könnte.
1759
Nach allen Seiten hin ruhig geworden, benutzte ich meine augenblickliche Muße und Unabhängigkeit, um meine Arbeiten schneller und planvoller fortzusetzen. Ich vollendete diesen Winter die Julie und schickte sie an Rey, der sie im folgenden Jahre drucken ließ. Diese Arbeit wurde jedoch noch durch eine kleine und sogar ziemlich unangenehme Störung unterbrochen. Ich erfuhr, daß man in der Oper eine neue Aufführung des »Dorfwahrsagers« vorbereitete. Erzürnt zu sehen, in wie anmaßender Weise diese Leute über mein Eigenthum verfügten, nahm ich die Denkschrift wieder auf, die ich Herrn von Argenson übersandt hatte und die unbeantwortet geblieben war, und nach einer abermaligen Ueberarbeitung ließ ich sie durch Herrn Sellon, den Genfer Residenten, mit einem Briefe, dessen Bestellung er übernehmen wollte, dem Herrn Grafen von Saint-Florentin überreichen, der Herrn von Argensons Nachfolger in der Leitung der Oper geworden war. Herr von Saint-Florentin verhieß Antwort, gab aber keine. Duclos, dem ich schrieb, was ich gethan hatte, nahm mit den
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