Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
schmerzte mich, von meinen Mitmenschen zu scheiden, ohne daß sie meinen Werth erkannt, ohne daß sie wußten, wie sehr ich ihre Liebe verdient hätte, wenn sie mich genauer gekannt. Das sind die geheimen Ursachen des eigenthümlichen Tones, der durch dieses Werk hindurchgeht und so wunderbar gegen den im vorhergehenden [Fußnote: Die Abhandlung über die Ungleichheit der Stände.] absticht.
    Ich besserte und besserte an diesem Briefe, schrieb ihn. ins Reine und wollte ihn eben drucken lassen, als ich nach langem Stillschweigen ein Schreiben von Frau von Houdetot bekam, das mich in neue Trauer versenkte, die empfindlichste, deren Beute ich je geworden bin. Sie zeigte mir in diesem Briefe (Heft B, Nr. 34) an, daß meine Leidenschaft für sie in ganz Paris bekannt wäre, daß ich von ihr mit Leuten geredet, die davon öffentlichen Gebrauch gemacht hätten; daß diese Gerüchte, als sie ihrem Geliebten zu Ohren gekommen, ihr beinahe das Leben gekostet; daß er ihr zwar zuletzt Gerechtigkeit hätte widerfahren lassen, und der Frieden unter ihnen wieder hergestellt wäre, daß es aber die Rücksicht auf ihn wie auf sich selbst und die Sorge für ihren Ruf verlangte, jeglichen Verkehr mit mir abzubrechen. Sie versicherte mir übrigens, sie würden beide nicht aufhören, Antheil an mir zu nehmen, würden mich im Publikum vertheidigen, und sie würde sich von Zeit zu Zeit nach mir erkundigen lassen.
    Also auch du, Diderot? rief ich aus. Unwürdiger Freund!... Gleichwohl konnte ich mich nicht entschließen, ihn schon danach zu verurtheilen. Meine Schwäche war andern Leuten bekannt, die ihn zum Reden verleitet haben konnten. Ich wollte zweifeln ... aber bald konnte ich es nicht mehr. Saint-Lambert führte bald nachher einen seines Edelmuthes würdigen Akt aus. Da er meine Seele einigermaßen kannte, dachte er sich, in welchem Zustande ich, von einem Theile meiner Freunde verrathen und von den andern verlassen, sein mußte. Er besuchte mich. Das erste Mal konnte er mir nur wenig Zeit schenken. Er kam wieder. Da ich ihn nicht erwartete, war ich leider nicht zu Hause. Therese, die sich daheim befand, hatte mit ihm eine mehr als zweistündige Unterredung, in der sie sich gegenseitig viele Thatsachen mittheilten, deren Kenntnis ihm wie mir wichtig sein mußten. Der Ueberraschung, mit der ich durch ihn erfuhr, daß niemand in der Welt daran zweifelte, ich hätte mit Frau von Epinay gelebt, wie jetzt Grimm mit ihr lebte, kann nur diejenige gleichkommen, die er selbst bei der Versicherung empfand, wie falsch dieses Gerücht wäre. Zum großen Mißvergnügen der Dame befand sich Saint-Lambert in derselben Lage wie ich, und alle Aufklärungen, die ein Ergebnis dieser Unterredung waren, unterdrückten in mir vollends jedes Bedauern, mit ihr unwiderruflich gebrochen zu haben. In Bezug auf Frau von Houdetot theilte er Therese ausführlich mehrere Umstände mit, die weder ihr noch selbst Frau von Houdetot bekannt waren, die ich allein wußte und die ich nur Diderot unter dem Siegel der Freundschaft erzählt hatte; und gerade Saint-Lambert hatte er auserwählt, um ihm darüber vertrauliche Mittheilungen zu machen. Dieser letzte Zug bestimmte mich; entschlossen, mit Diderot auf ewig zu brechen, überlegte ich nur noch, auf welche Weise es geschehen sollte; denn ich wußte ans Erfahrung, daß mir ein geheimer Bruch stets zum Nachtheil gereichte, indem er meinen bittersten Feinden die Maske der Freundschaft ließ. Die in der Welt anerkannten Anstandsregeln scheinen von dem Geist der Lüge und des Verraths eingegeben zu sein. Noch anscheinend der Freund eines Menschen bleiben, nachdem die Freundschaft zu ihm erloschen ist, heißt sich die Mittel vorbehalten, ihm zu schaden, indem man die ehrlichen Leute täuscht. Ich erinnerte mich, daß sich der berühmte Montesquieu, als er mit dem Pater von Tournemine brach, beeilte, es laut zu erklären, indem er jedermann sagte: »Hören Sie weder den Pater von Tournemine noch mich an, wenn wir von einander reden, denn wir haben aufgehört, Freunde zu sein.« Dieses Betragen fand allgemeinen Beifall, und alle Welt lobte seine Offenheit und seinen Edelmuth. Ich entschloß mich, hinsichtlich Diderots diesem Beispiele zu folgen. Aber wie aus meiner Zurückgezogenheit heraus diesen Bruch in unzweideutiger und noch dazu unanstößiger Weise veröffentlichen? Ich gerieth auf den Einfall, in der Form einer Anmerkung in mein Werk einen Spruch aus Jesus Sirach einzuschalten, der für jeden Unterrichteten diesen

Weitere Kostenlose Bücher