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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Ausführung der Verschwörung, deren Gegenstand ich war, meine Entfernung durchaus nothwendig machte, so mußte zu ihrer Herbeiführung alles ungefähr so geschehen, wie es geschah. Würde aber wohl, wenn ich, ohne mich durch die nächtliche Botschaft der Frau von Luxembourg erschrecken und durch ihre Bestürzung beunruhigen zu lassen, nach wie vor festgeblieben wäre und mich, statt im Schlosse zu bleiben, in mein Bett zurückbegeben hätte, um ruhig zu schlafen, würde wohl, frage ich, meine Verhaftung dann in gleicher Weise verfügt worden sein? Große Frage, von der die Lösung vieler andren abhängt, und zu deren Entscheidung die Stunde des angedrohten und die des wirklichen Haftbefehls beachtet werden muß. Ein unvollkommenes, aber in die Augen springendes Beispiel von der Wichtigkeit der geringsten Einzelheiten in der Aufzählung von Thatsachen, deren geheime Ursachen man aufsucht, um sie durch Folgerungen zu entdecken.

Zwölftes Buch.
1762
    Hier beginnt das Werk der Finsternis, in die ich mich seit acht Jahren versenkt fühle, ohne daß es mir aller Anstrengungen ungeachtet möglich gewesen wäre, ihr schreckliches Dunkel zu durchdringen. In dem Abgrund von Elend, der mich verschlungen hat, fühle ich die Schläge, die wider mich geführt werden, gewahre ich das unmittelbare Werkzeug derselben, vermag aber weder die Hand, welche sie leitet, noch die Mittel zu erkennen, welche sie aufbietet. Schmach und Leiden fallen wie von selbst, und ohne daß man es sieht, über mich her. Wenn meinem zerrissenen Herzen Seufzer entschlüpfen, habe ich den Anschein eines Menschen, der grundlos klagt, und die Urheber meines Untergangs haben die unbegreifliche Kunst entdeckt, das Publikum zum Mitschuldigen ihrer Verschwörung zu machen, ohne daß dasselbe es nur ahnt und die Wirkung davon merkt. Indem ich also die sich auf mich beziehenden Ereignisse, die mir zugefügte Behandlung und alles, was mir widerfahren ist, erzähle, bin ich außer Stande, bis auf die bewegende Hand zurückzugehen und bei der Mittheilung der Thatsachen auch die Ursachen anzugeben. Diese ersten Ursachen sind sämmtlich in den drei vorhergehenden Büchern angeführt; alle mich persönlich berührenden Interessen, alle geheimen Beweggründe sind darin auseinandergesetzt. Aber nachzuweisen, wie alle diese verschiedenen Ursachen ineinandergreifen, um meine merkwürdigen Lebensschicksale hervorzurufen, das vermag ich nicht zu erklären, ja nicht einmal zu vermuthen. Sollten sich unter meinen Lesern so edelmüthige finden, daß sie sich gedrungen fühlen, diese Geheimnisse zu ergründen und die Wahrheit zu enthüllen, so mögen sie aufmerksam die drei vorhergehenden Bücher noch einmal lesen, sodann über jede Thatsache, die sie der Reihe nach lesen werden, die ihnen zugänglichen Erkundigungen einziehen, endlich von einem Kunstgriff und von einem Helfershelfer zum andern bis zu den ersten Urhebern von allem zurückgehen, und ich weiß sicher, bei welchem Ziele ihre Nachforschungen anlangen werden; ich jedoch verliere mich auf dem dunklen und krummen Schleichwege, auf dem sie es erreichen werden. Während meines Aufenthalts zu Yverdun lernte ich Roguins ganze Familie kennen, unter andern seine Nichte Frau Boy de la Tour und ihre Töchter, mit deren Vater ich, wie ich gesagt zu haben glaube, einst in Lyon Bekanntschaft gemacht hatte. Sie war nach Yverdun gekommen, um ihren Onkel und ihre Schwestern zu besuchen. Ihre älteste Tochter, die ungefähr fünfzehn Jahre alt war, bezauberte mich durch ihren gesunden Verstand und vortrefflichen Charakter. Ich schloß mich der Mutter und der Tochter mit der zärtlichsten Freundschaft an. Letztere war von Herrn Roguin seinem Neffen, einem Obrist, bestimmt, der schon in einem gewissen Alter stand und mir gleichfalls die größte Freundschaft an den Tag legte; aber obgleich der Onkel sehr eingenommen für diese Heirath war, der Neffe sie ebenfalls sehr wünschte und ich die Erfüllung ihrer beiderseitigen Wünsche mit lebhafter Freude begrüßt hätte, so leistete ich doch im Hinblick auf das große Mißverhältnis im Alter und auf den heftigen Widerstand des jungen Mädchens der Mutter Beistand, diese Heirath, die auch nicht vollzogen wurde, zu verhindern. Der Obrist heirathete darauf Fräulein Dillau, eine Verwandte, von einem Charakter und einer Schönheit ganz nach meinem Herzen, die ihn zum glücklichsten der Gatten und der Väter gemacht hat. Dem ungeachtet hat Roguin nicht vergessen können, daß ich bei dieser

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