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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Gelegenheit seinen Wünschen hinderlich gewesen bin. Ich habe mich darüber durch das Bewußtsein getröstet, sowohl gegen ihn wie gegen seine Familie die Pflicht der heiligsten Freundschaft erfüllt zu haben, die nicht darin besteht, sich stets angenehm zu machen, sondern zum Besten zu rathen.
    Ueber die Aufnahme, die meiner in Genf wartete, falls ich Lust verspüren sollte, dorthin zurückzukehren, war ich nicht lange im Zweifel. Mein Buch wurde daselbst verbrannt, und den 18. Juni, das heißt neun Tage, nachdem es in Paris geschehen war, der Haftbefehl gegen mich erlassen. In diesem zweiten Erlaß waren so viele unglaubliche Albernheiten zusammengehäuft und das Religionsedict war darin so offenbar verletzt worden, daß ich den ersten Nachrichten, die darüber zu mir gelangten, nicht Glauben schenken wollte und bei ihrer Bestätigung zitterte, daß eine so in die Augen fallende und schreiende Verletzung aller Gesetze, um nur gleich mit dem des gesunden Menschenverstandes zu beginnen, alle Genfer Herzen in Aufruhr setzen würde. Ich konnte mich getrost beruhigen; alles blieb still. Wenn sich unter dem gemeinen Volke einiges Murren erhob, so war es nur wider mich gerichtet. Oeffentlich wurde ich von allen Klatschschwestern und von allen Pedanten wie ein Schuljunge behandelt, dem man mit der Ruthe droht, weil er seinen Katechismus nicht wörtlich herzusagen vermag.
    Diese beiden Erlasse wurden das Signal zu dem Schrei der Entrüstung, der sich mit einer beispiellosen Wuth in ganz Europa gegen mich erhob. Alle Zeitungen, alle Tagesblätter, alle Flugschriften läuteten die Sturmglocke mit aller Gewalt. Die Franzosen besonders, dieses so entgegenkommende, so höfliche, so edelmüthige Volk, das auf seinen Anstand und seine Rücksichten gegen Unglückliche so stolz ist, zeichnete sich im plötzlichen Vergessen seiner Lieblingstugenden durch die Zahl und Heftigkeit seiner Schmähartikel aus, mit der es um die Wette über mich herfiel. Ich war ein Gottloser, ein Atheist, ein Verrückter, ein Rasender, ein wildes Thier, ein Wolf. Der Fortsetzer des Journals von Trévoux erging sich gegen meine sogenannte Verwolfung in einer Weise, die seine eigene ziemlich klar bewies. Kurz, man hätte meinen sollen, daß man in Paris fürchtete, mit der Polizei in Ungelegenheiten zu gerathen, wenn man es bei der Herausgabe einer Schrift über irgend einen beliebigen Gegenstand verabsäumte, darin irgend eine Schmähung gegen mich anzubringen. Da ich umsonst nach dem Grunde dieser einstimmigen Erbitterung suchte, war ich nahe daran zu glauben, daß die ganze Welt verrückt geworden wäre. Wie, der Herausgeber des »Ewigen Friedens« facht Zwietracht an? Der Schreiber des »Savoyischen Vikars« ist ein Ungläubiger? Der Verfasser der »Neuen Heloise« ist ein Wolf? Der des »Emil« ein Rasender? Ach, mein Gott, was würde ich dann erst gewesen sein, hätte ich das Buch »Ueber den Geist« oder irgend ein ähnliches Werk veröffentlicht? Und trotzdem vereinigte in dem Sturme, der sich gegen den Verfasser dieses Buches erhob, das Publikum nicht nur nicht seine Stimme mit dem seiner Verfolger, sondern rächte ihn noch an ihnen durch sein ihm gespendetes Lob. Man vergleiche sein Buch mit den meinigen, die verschiedene Aufnahme, die diese Werke gefunden haben, die verschiedene Behandlung, die den beiden Verfassern in den Staaten Europas zu Theil geworden ist, und dann suche man nach Gründen zu dieser Verschiedenheit, die einen vernünftigen Mann befriedigen können: das ist alles, was ich verlange; ich persönlich bin darüber still.
    Der Aufenthalt zu Yverdun bekam mir so wohl, daß ich auf Herrn Roguins wie seiner ganzen Familie dringendes Bitten daselbst zu bleiben beschloß. Der Amtmann dieser Stadt, Herr Moiry von Gingins, ermuthigte mich ebenfalls durch seine Güte, in seinem Bezirk zu bleiben. Der Obrist bat mich so freundlich, in einem Pavillon, der zu seinem Hause gehörte und zwischen Hof und Garten lag, meine Wohnung zu nehmen, daß ich darauf einging, und sogleich beeilte er sich, ihn auszumöbliren und mit allem zu versehen, was für meine kleine Wirtschaft erforderlich war. Der Bannerherr Roguin, der sich mit am eifrigsten um mich bemühte, verließ mich den ganzen Tag nicht. Ich war für so viele Freundlichkeiten stets sehr dankbar, wenn auch durch sie oft sehr belästigt. Schon war der Tag meines Einzugs bestimmt, und ich hatte Therese aufgefordert, mir nachzukommen, als ich plötzlich vernahm, daß sich in Bern ein Sturm gegen

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