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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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mich erhöbe, der von den Frommen ausgehen sollte und hinter dessen erste Ursache ich nie habe kommen können. Ohne zu wissen von wem aufgehetzt, schien mich der Senat in meinem Zufluchtsorte nicht in Ruhe lassen zu wollen. Bei der ersten Mittheilung, die der Herr Ammann von dieser Gährung empfing, schrieb er für mich an mehrere Regierungsmitglieder, wobei er ihnen ihre blinde Unduldsamkeit vorwarf und es ihnen als Schande auslegte, einem unterdrückten Manne von Verdienst das Asyl verweigern zu wollen, welches so viele Banditen in ihrem Staate fänden. Nach Ansicht kluger Leute hatte die Hitze seiner Vorwürfe die Gemüther mehr erbittert als besänftigt. Wie dem auch sein mochte, so waren doch sein Einfluß und seine Beredtsamkeit nicht im Stande, den Schlag abzuwehren. Von dem Befehl, den er mir anzeigen sollte, in Kenntnis gesetzt, gab er mir vorher einen Wink, und um diesen Befehl nicht abzuwarten, entschloß ich mich, am folgenden Tage abzureisen. Da ich die Erfahrung gemacht, daß mir Genf und Frankreich verschlossen waren, und voraussah, daß sich in dieser Angelegenheit jeder beeifern würde, dem Beispiele seines Nachbarn nachzueifern, war nur die Schwierigkeit zu wissen wohin.
    Frau Boy de la Tour machte mir den Vorschlag, ein völlig leerstehendes, aber ganz ausmöblirtes Haus zu beziehen, das ihrem Sohne im Dorfe Motiers gehörte, welches Val-de-Travers in der Grafschaft Neuchâtel lag. Ich hatte, um es zu erreichen, nur einen einzelnen Bergrücken zu übersteigen. Das Anerbieten war um so zweckentsprechender, als ich in den Staaten des Königs von Preußen gegen die Verfolgungen geschützt war, und die Religion dort wenigstens nicht als Vorwand dienen konnte. Nur eine geheime Schwierigkeit, die ich nicht aussprechen durfte, gab mir zur Unschlüssigkeit gerechten Grund. Die angeborene Gerechtigkeitsliebe, die mein Herz beständig verzehrte, im Verein mit meiner geheimen Neigung für Frankreich, hatte mich mit Widerwillen gegen den König von Preußen erfüllt, der mir durch seine Grundsätze und Handlungsweise alle Achtung vor dem natürlichen Gesetz und allen menschlichen Pflichten mit Füßen zu treten schien. Unter den eingerahmten Kupferstichen, mit denen ich meinen Thurm in Montmorency geschmückt hatte, befand sich ein Porträt dieses Fürsten, unter dem ein Distichon [Fußnote: Var. ... unter das ich ein Distichon geschrieben hatte, das ...] stand, das mit den Worten endete:
    Er denkt als Philosoph und zeiget sich als König.
    Dieser Vers, der, wäre er aus jeder andern Feder geflossen, für ein ziemlich schönes Lob gegolten hätte, konnte, aus der meinen kommend, nur einen völlig unzweideutigen Sinn haben, den der vorangehende Vers [Fußnote: Dieser Vers lautete:

Der Ruhm, der Eigennutz,
das ist sein Gott, sein Recht.

Er ging dem im Texte angeführten Verse nicht voran. Dieser stand unter dem Porträt; der andre Vers war hinterher geschrieben] noch zum Ueberfluß ganz deutlich aussprach. Von allen, die zu mir kamen, und deren Zahl war nicht klein, war dieses Distichon gesehen worden. Der Chevalier von Lorenzi hatte es sogar, um es d'Alembert zu geben, abgeschrieben, und ich zweifelte nicht, daß sich d'Alembert Mühe gegeben hatte, mich damit diesem Fürsten zu empfehlen. Dieses erste Vergehen hatte ich noch durch eine Stelle im »Emil« verschlimmert, wo man leicht erkennen konnte, wen ich unter dem Namen Adrast, König der Daunier, meinte, und die dort gemachte Bemerkung war den Krittlern, die mich verfolgten, nicht entgangen, da mich Frau von Boufflers mehrmals darüber zur Rede gestellt hatte. Deshalb war ich völlig überzeugt, mit rother Tinte in die Listen des Königs von Preußen eingetragen zu sein; und da ich überdies annahm, daß er die Grundsätze, die ich ihm zuzuschreiben gewagt hatte, wirklich besäße, konnten ihm meine Schriften und ihr Verfasser schon lediglich um deswillen nur mißfallen, denn man weiß, daß mich die Bösen und die Tyrannen, auch ohne mich zu kennen, auf die bloße Lectüre meiner Schriften hin stets gehaßt haben.
    Gleichwohl wagte ich mich in seine Gewalt zu begeben und war überzeugt, wenig Gefahr zu laufen. Ich wußte, daß die niedrigen Leidenschaften nur über schwache Menschen Herr werden und über Seelen von hartem Schlage, und für eine solche hatte ich die seinige erkannt, nichts vermögen. Ich glaubte fest, daß seine Regierungskunst es von ihm verlangte, sich bei einer solchen Gelegenheit hochherzig zu zeigen, und daß sein Charakter groß

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