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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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vorzeichnete; und statt die »Briefe vom Berge« wie eine Siegesfahne triumphirend zu erheben, verhüllte sie sie, um sich einen Schild daraus zu machen, und hatte die Feigheit der zu ihrer Verteidigung und auf ihre Bitten abgefaßten Schrift weder Ehre anzuthun, noch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sich weder auf sie zu berufen, noch sie zu nennen, obgleich sie ihr alle ihre Beweisgründe entnahmen, und die Genauigkeit, mit der sie den am Ende dieses Werkes ausgesprochenen Rath befolgte, die einzige Ursache ihrer Rettung und ihres Sieges gewesen ist. Die Partei hatte mir diese Pflicht auferlegt; ich hatte sie erfüllt, hatte dem Vaterlande und ihrer Sache bis ans Ende gedient. Ich bat sie, die meinige aufzugeben und bei ihren Zwistigkeiten nur an sich zu denken. Sie nahm mich beim Worte, und ich habe mich in ihre Angelegenheiten nur noch eingelassen, um sie unaufhörlich zum Frieden zu ermahnen, da ich nicht bezweifelte, daß sie bei fortgesetzter Hartnäckigkeit von Frankreich vernichtet werden würde. Das ist nicht geschehen; ich verstehe den Grund, allein hier ist nicht der Ort, ihn anzuführen.
    Die Wirkung der »Briefe vom Berge« war zu Neufchâtel anfangs sehr friedlicher Natur. Ich sandte Herrn von Montmollin ein Exemplar von ihnen; er nahm es freundlich an und las es, ohne Einwand dagegen zu erheben. Er war eben so leidend wie ich; nach seiner Wiederherstellung besuchte er mich freundschaftlich und erwähnte des Buches nicht. Inzwischen begann der Lärm; man verbrannte das Buch, ich weiß nicht wo. [Fußnote: In Paris zugleich mit dem »Philosophischen Wörterbuche« von Voltaire und in Folge desselben Urtheilspruches, gefällt den 19. März 1765. Dieses Urtheil ist wörtlich mitgeteilt in Poincoits Werken. Band XIV.] Von Genf, von Bern und vielleicht auch von Versailles, diesen Mittelpunkten der Gährung gegen mich, ging sie bald nach Neufchâtel hinüber und namentlich bis in das Val de Travers hinein, wo man, sogar noch ehe die höheren Stände entschiedene Stellung gegen mich genommen, das Volk durch geheime Schliche aufzuhetzen begann. Ich hätte, wie ich wohl sagen darf, von dem Volke in diesem Lande geliebt werden müssen, wie ich es in allen wurde, in denen ich gelebt habe, da ich mit vollen Händen Almosen austheilte, keinen Dürftigen in meiner Nähe ohne Beistand ließ, niemandem einen Dienst, der in meiner Macht stand und gerecht war, verweigerte, mit aller Welt, vielleicht nur allzu vertraulich umging und mich, so gut es ging, jeder Auszeichnung entzog, die Eifersucht hätte erregen können. Das alles hinderte nicht, daß das im Geheimen, ich weiß nicht von wem, aufgereizte Volk sich allmählich bis zur Wuth gegen mich erhitzte, mich am hellen Tage öffentlich beschimpfte, und zwar nicht allein unter freiem Himmel und auf den Landwegen, sondern auf offener Straße. Am erbittertsten waren die, welchen ich das meiste Gute erwiesen hatte, und sogar Leute, denen ich nach wie vor Gutes erwies und die nicht öffentlich aufzutreten wagten, hetzten die Andern auf und schienen sich für die Demüthigung, mir verpflichtet zu sein, auf diese Weise rächen zu wollen. Montmollin schien nichts davon zu gewahren und zeigte sich noch nicht; als jedoch die Abendmahlszeit herannahte, kam er zu mir, um mir den Rath zu geben, von der Feier fern zu bleiben, während er gleichzeitig versicherte, daß er im Uebrigen kein Verlangen an mich stellen und mich in Ruhe lassen würde. Ich fand diese freundliche Versicherung seltsam; sie erinnerte mich an den Brief der Frau von Boufflers, und ich konnte nicht begreifen, wer denn so großes Gewicht darauf legen könnte, ob ich zum Abendmahl ginge oder nicht. Da ich eine solche Nachgiebigkeit von meiner Seite als einen Act der Feigheit betrachtete und ich dem Volke auch nicht diesen neuen Vorwand geben wollte, über mich Gottlosen zu schreien, so wies ich den Prediger kurz ab, und kehrte unzufrieden heim, indem er mir beim Abschiede zu verstehen gab, daß ich es bereuen würde.
    Er konnte mich von der Abendmahlsfeier nicht aus eigener Machtvollkommenheit ausschließen, dazu gehörte die Einwilligung des Consistoriums, das mich zugelassen hatte, und so lange dieses nicht gesprochen hatte, konnte ich dreist zum Tische des Herrn gehend ohne eine Zurückweisung befürchten zu brauchen. Montmollin ließ sich von der Geistlichkeit den Auftrag geben, mich vor das Consistorium zu laden, um vor demselben Rechenschaft über meinen Glauben abzulegen, und mich, falls ich mich

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