Rousseau's Bekenntnisse
sein. Das Bekanntwerden dieses Unternehmens war, so weit ich darüber zu urtheilen im Stande bin, die wahre Veranlassung des Sturmes, den man erregte, um mich aus der Schweiz zu vertreiben und mich Händen zu überliefern, die die Ausführung verhindern sollten.
Ich beschäftigte mich noch mit einem andern Unternehmen, das die, welche das erstere fürchteten, nicht mit günstigeren Augen anblicken konnten, nämlich mit einer Gesammtausgabe meiner Schriften. Diese Ausgabe schien mir nöthig, um unter den Werken, die meinen Namen führten, diejenigen festzustellen, die wirklich von mir waren, und das Publikum in den Stand zu setzen, sie von den pseudonymen Schriften zu unterscheiden, die meine Feinde für die meinigen ausgaben, um mich um die Achtung zu bringen und zu demüthigen. Außerdem war diese Ausgabe ein einfaches und anständiges Mittel, mir mein Brot zu sichern, und noch dazu das einzige, da ich der Schriftstellerei entsagt hatte, meine Denkwürdigkeiten bei meinen Lebzeiten nicht erscheinen konnten, ich auf andere Weise keinen Heller verdiente, während ich beständige Ausgaben hatte, und ich mich folglich am Ende meiner Hilfsmittel sah, sobald die Erträge meiner letzten Schriften verbraucht waren. Dieser Grund hatte mich gedrängt, mein »Musikalisches Wörterbuch« hinzugeben, obgleich es noch nicht die letzte Feile erhalten hatte. Es hatte mir hundert Louisd'or baar und eine Leibrente von hundert Thalern eingebracht; aber das Ende von hundert Louisd'or ließ sich leicht berechnen, wenn man jährlich sechzig verausgabte, und hundert Thaler Leibrente waren nichts für einen Mann, den allerlei Gesindel und Bettler schaarenweise umdrängten.
Zu der Veranstaltung der Gesammtausgabe meiner Werke erbot sich eine Gesellschaft Neufchâteler Kaufleute, und ein Lyoner Buchdrucker oder Buchhändler, Namens Reguillat, hatte sich, ich weiß nicht wie, in ihre Mitte eingedrängt, um das Unternehmen zu leiten. Der Vertrag wurde unter so vernünftigen und befriedigenden Bedingungen abgeschlossen, daß ich meinen Zweck vollkommen erreichte. Ich hatte sowohl an gedruckten Werken wie an noch ungedruckten Arbeiten hinreichenden Stoff für sechs Quartbände und verpflichtete mich überdies zur Ueberwachung der Ausgabe; dafür mußten sie mir eine Leibrente von sechszehnhundert französischen Livres aussetzen und ein einmaliges Geschenk von tausend Thalern machen.
1765
Der Vertrag war abgeschlossen, aber noch nicht unterzeichnet, als die »Briefe vom Berge geschrieben« erschienen. Der furchtbare Ausbruch, der sich gegen dieses Höllenwerk und seinen abscheulichen Verfasser erhob, setzte die Gesellschaft in Angst, und das Unternehmen scheiterte. Ich würde die Wirkung dieses letzten Werkes mit der des »Briefes über die französische Musik« vergleichen, wenn mir dieser Brief, obgleich er mir Haß zuzog und mich der Gefahr aussetzte, nicht wenigstens Ansehen und Achtung gelassen hätte. Aber nach diesem letzten Werke schien man in Genf und Versailles erstaunt zu sein, daß man ein Ungeheuer wie mich noch athmen ließe. Der kleine Rath, durch den französischen Geschäftsträger aufgehetzt und von dem Generalprocurator geleitet, erließ über mein Werk eine Erklärung, in welcher er es unter Beilegung der abscheulichsten Namen als unwürdig bezeichnet, vom Henker verbrannt zu werden, und mit einer Schlauheit, die an das Komische grenzt, hinzufügt, daß man nicht, ohne sich zu entehren, darauf antworten könne, ja es nicht einmal erwähnen dürfe. Ich wünschte dieses merkwürdige Dokument hier veröffentlichen zu können, allein leider besitze ich es nicht und erinnere mich nicht eines einzigen Wortes. Ich habe das lebhafte Verlangen, daß einer meiner Leser, vom Eifer nach Wahrheit und Billigkeit beseelt, die »Briefe vom Berge geschrieben«, noch einmal ganz durchlesen möge; er wird, das wage ich zu behaupten, nach den empfindlichen und grausamen Beleidigungen, mit denen mich der Verfasser um die Wette überhäuft hatte, die stoische Mäßigung herausfühlen, die in diesem Werke herrscht. Aber außer Stande auf Schmähungen zu antworten, weil keine darin vorkommen, noch auf die Gründe, weil sie unwiderleglich waren, stellte man sich zu entrüstet, um antworten zu wollen, und wenn sie unbestreitbare Beweise für Beleidigungen nahmen, mußten sie sich allerdings für sehr beleidigt halten.
Weit davon entfernt, sich über diese gehässige Erklärung zu beklagen, folgte die angreifende Partei dem Wege, den jene ihr
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