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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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keusch, wie ich es in Paris gethan hatte, und ich bin nach Verlauf von achtzehn Monaten von dort zurückgekehrt, ohne mit dem schönen Geschlechte öfter als zweimal, und dies auch nur in Folge besonderer Veranlassungen, die ich erzählen will, Umgang gepflogen zu haben.
    Die erste wurde mir durch den ehrenwerthen Edelmann Vitali einige Zeit nach jener förmlichen Entschuldigung, um die ich ihn mich zu bitten zwang, gegeben. Man redete bei Tafel von den Vergnügungen Venedigs. Die Herren warfen mir meine Gleichgiltigkeit gegen die verlockendste von allen vor, während sie die Anmuth der venetianischen Courtisanen rühmten und versicherten, daß sie in der ganzen Welt nicht ihres Gleichen fänden. Dominico meinte, ich müßte durchaus die Bekanntschaft der liebenswürdigsten von allen machen; er erbot sich, mich zu ihr zu führen, und sagte, ich würde zufrieden sein. Ich mußte über dieses dienstfertige Anerbieten lachen, und der Graf Peati, ein schon ältlicher und ehrwürdiger Herr, sagte mit größerer Offenheit, als ich bei einem Italiener erwartet hätte, daß er mich für zu verständig hielte, um mich von einer mir feindlich gesinnten Person zu Mädchen führen zu lassen. Ich hatte es wirklich nicht in Absicht, auch lag darin keine Versuchung für mich, und trotzdem ließ ich mich schließlich durch eine jener Inconsequenzen, die ich selbst kaum zu begreifen weiß, zu ihr hinschleppen gegen meine Absicht, meinen Wunsch und meine Vernunft, ja selbst gegen meinen Willen, einzig und allein aus Schwäche, aus Scham, Mißtrauen zu zeigen, und wie man dort zu Lande sagt, per non parer troppo coglione . Die Padoana, zu der wir gingen, hatte ein ziemlich hübsches, sogar schönes Aeußere, aber sie war keine Schönheit, wie sie mir gefiel. Dominico ließ mich bei ihr. Ich ließ Sorbet kommen, ließ sie etwas vorsingen und wollte mich nach einer halben Stunde entfernen, wobei ich einen Ducaten auf den Tisch legte; aber sie hatte die sonderbare Bedenklichkeit, ein Geschenk anzunehmen, das sie nicht verdient hatte, und ich die sonderbare Thorheit, ihre Bedenklichkeit zu heben. Ich kehrte nach dem Palast zurück, so überzeugt, daß ich übel angekommen wäre, daß ich sofort nach meiner Heimkunft den Wundarzt holen ließ, um ihn um Tisanen zu bitten. Nichts kann der unbehaglichen Gemüthsstimmung gleich kommen, in der ich mich drei Wochen lang befand; ohne daß irgend ein wirkliches Unwohlsein, irgend ein sichtliches Zeichen sie rechtfertigte. Ich konnte nicht begreifen, daß man ungestraft aus den Armen der Padoana kommen könnte. Sogar der Wundarzt hatte alle erdenkliche Mühe, mich wieder zu beruhigen. Er konnte nur dadurch zum Ziele gelangen, daß er mir einredete, ich hätte eine so eigentümliche Natur, daß ich nicht leicht angesteckt werden könnte, und obgleich ich mich vielleicht weniger als irgend ein anderer Mann dazu hergegeben habe, die Wahrheit seiner Behauptung zu erproben, so sehe ich sie doch deshalb für erwiesen an, weil meine Gesundheit in dieser Beziehung nie gelitten hat. Dieser Wahn hat mich indessen nie verwegen gemacht, und wenn mir die Natur diesen Vorzug in der That verliehen hat, so kann ich sagen, daß ich ihn nicht gemißbraucht habe.
    Mein anderes Abenteuer, obgleich ebenfalls mit einer Courtisane, war sehr verschiedener Art sowohl hinsichtlich der Veranlassung als auch der Folgen. Wie ich bereits mitgetheilt, hatte mir der Kapitän Olivet an Bord seines Schiffes ein Mahl gegeben, wozu ich den Secretär der spanischen Gesandtschaft mitgenommen hatte. Ich rechnete darauf, mit Kanonenschüssen salutirt zu werden. Die Mannschaft bildete zu unserm Empfange Spalier, aber kein Schuß wurde abgefeuert. Um Carrios willen, der sich sichtlich ein wenig verletzt fühlte, war mir dies demüthigend, um so mehr, da man auf den Kauffahrteischiffen den Kanonensalut Leuten zugestand, welche mit uns sicherlich nicht auf gleicher Rangstufe standen; überdies glaubte ich von dem Kapitän eine Auszeichnung wohl verdient zu haben. Ich konnte mich nicht verstellen, weil es mir stets unmöglich ist, und obgleich das Mahl sehr gut war und Olivet einen sehr vortrefflichen Wirth machte, war ich bei Tische anfangs mißgestimmt, aß wenig und sprach noch weniger.
    Bei der ersten Gesundheit erwartete ich wenigstens eine Salve: nichts. Carrio, der in meiner Seele las, lachte, als er mich wie ein Kind schmollen sah. Bald nach Beginn des Mahles, nehme ich wahr, daß eine Gondel naht. »Fürwahr, mein Herr,« sagt der

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