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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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ich keine Zeit verlieren will, obgleich ich mich desselben nur noch zu gut erinnere. Ich begnüge mich damit, anzugeben, daß ihre Manschetten und Busenkrausen mit einem Seidenstreifen eingefaßt waren, der einen reichen Besatz von rosafarbenen Schleifen hatte. Das scheint mir ein gutes Mittel, eine schöne Haut noch mehr zu heben. Später gewahrte ich, daß es in Venedig Mode war, und es bringt einen so reizenden Eindruck hervor, daß es mich Wunder nimmt, diese Mode noch nicht in Frankreich eingeführt zu sehen. Ich hatte keine Vorstellung von dem Sinnengenusse, der meiner wartete. In dem Entzücken, welches die Erinnerung an Frau von Larnage noch bisweilen in mir erweckt, habe ich ihrer erwähnt; aber wie alt und häßlich und kalt war sie gegen meine Zulietta! Man würde sich vergeblich bemühen, sich eine Vorstellung von den Reizen und der Anmuth dieses bezaubernden Mädchens zu machen, stets würde man von der Wahrheit weit entfernt bleiben; die jugendlichsten Klosterjungfrauen sind weniger frisch, die Schönheiten des Serail weniger lebhaft, die Houris des Paradieses weniger verführerisch. Nie bot sich dem Herzen und den Sinnen eines Sterblichen ein süßerer Genuß dar. Ach, wenn ich nur wenigstens verstanden hätte, ihn einen einzigen Augenblick voll und ganz auszukosten! ... Ich kostete ihn, aber ohne Reiz; alle seine Wonne stumpfte ich ab und ertödtete sie, als ob ich Freude daran fände. Nein, die Natur hat mich nicht zum Genusse geschaffen. Während sie in mein Herz das Verlangen nach einem solchen unaussprechlichen Glücke gelegt, hat sie gleichzeitig in meinen armen Kopf das Gift geträufelt, es mir zu vergällen.
    Wenn es in meinem Leben einen Umstand giebt, der als ein treues Bild meines Charakters dienen kann, so ist es der, welchen ich zu erzählen im Begriff stehe. Die Klarheit, mit der ich mir in diesem Augenblicke den Zweck meines Buches vergegenwärtige, wird mich hier über alles falsche Schicklichkeitsgefühl hinwegsetzen, das mich von der Erfüllung desselben zurückhalten könnte. Wer ihr auch sein möget, die ihr einen Menschen vollkommen kennen lernen wollt, leset dreist die folgenden zwei oder drei Seiten; ihr werdet einen genauen Einblick in Jean Jacques Rousseau's Charakter gewinnen.
    Ich trat in das Zimmer einer Courtisane wie in das Heiligthum der Liebe und der Schönheit; ich glaubte deren Gottheit in ihrer Person zu erblicken. Nie hätte ich geglaubt, daß man ohne Ehrfurcht und Achtung solche Empfindungen, wie sie sie mir einflößte, haben könnte. Kaum hatte ich bei den ersten Vertraulichkeiten den Werth ihrer Reize und Liebkosungen erkannt, als ich mich aus Furcht, ihre Frucht schon vorher zu verlieren, beeilen wollte, sie zu pflücken. Aber anstatt der Flammen, die mich verzehrten, fühle ich plötzlich eine tödtliche Kälte durch meine Adern fließen, meine Beine beginnen zu zittern, und, krankhaft erregt, setze ich mich nieder und weine wie ein Kind.
    Wer würde wohl die Ursache meiner Thränen und das, was mir in diesem Augenblicke durch den Kopf ging, errathen können? Ich sagte mir: dieses Mädchen, das sich mir willenlos hingiebt, ist das Meisterwerk der Natur und der Liebe; Geist, Körper, alles in ihm ist vollendet; es ist eben so gut und edelmüthig, wie es liebenswürdig und schön ist; die Großen, die Fürsten müßten seine Sklaven sein; die Scepter müßten zu seinen Füßen liegen. Und trotzdem ist es eine elende liederliche Dirne, für jeden käuflich; der Kapitän eines Kauffahrteischiffes verfügt über dasselbe; es wirft sich mir an den Kopf, mir, der, wie es weiß, nichts besitzt, mir, dessen Werth, den es nicht zu erkennen vermag, in seinen Augen nichtig sein muß. Es liegt darin etwas Unbegreifliches. Entweder täuscht mich mein Herz, bezaubert meine Sinne und überliefert mich den Fallstricken einer unwürdigen Vettel, oder irgend ein geheimer mir unbekannter Fehler muß die Wirkung der Reize des Mädchens zerstören und diejenigen mit Widerwillen gegen dasselbe erfüllen, welche es sich streitig machen müßten. Mit einer merkwürdigen Anstrengung des Geistes begann ich nun diesen Fehler zu suchen, und es kam mir nicht einmal in den Sinn, daß er in einer venerischen Krankheit liegen könnte. Die Frische ihrer Haut, der rosige Anhauch ihrer Gesichtsfarbe, das blendende Weiß ihrer Zähne, die Reinheit ihres Odems, die über ihre ganze Person gebreitete Sauberkeit hielten mir diesen Gedanken so fern, daß ich, seit der Padoana noch immer im Zweifel

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