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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Zotenreißer, wohnte daselbst und zog eine ausgelassene und glänzende Gesellschaft von jungen Gardeofficieren und Reitern der adligen Leibwache dorthin. Der Comthur von Nonant, Beschützer aller Opersängerinnen und Tänzerinnen, brachte wieder täglich alle Neuigkeiten aus der Theaterwelt hin. Die Herren Duplessis, Oberstlieutenant a. D., ein gutmüthiger und bescheidener Greis, und Ancelet, [Fußnote: Dieser Herr Ancelet war es, dem ich ein in meiner gewöhnlichen Manier geschriebenes kleines Lustspiel, »Die Kriegsgefangenen« gab. Unmittelbar nach den Niederlagen der Franzosen in Bayern und Böhmen verfaßt, wagte ich es weder zu zeigen noch mich zu demselben zu bekennen, und zwar aus dem eigentümlichen Grunde, weil der König, Frankreich und die Franzosen vielleicht nie mehr und aufrichtiger gelobt worden sind als in diesem Stücke, und weil ich als Republikaner und anerkannter Unruhstifter nicht das Herz hatte, mich als Lobredner einer Nation zu bekennen, deren sämmtliche Grundsätze den meinen zuwiderliefen. Ueber die Unglücksfälle Frankreichs mehr betrübt als die Franzosen selbst, hegte ich Besorgnis, man könnte die Beweise einer aufrichtigen Liebe, deren Entstehen und Grund ich bereits im ersten Theile angeführt habe, mir als Schmeichelei und Gemeinheit auslegen, und schämte mich deshalb, sie zu veröffentlichen.] Officier bei der adligen Leibwache, erhielten dort unter diesen jungen Leuten eine gewisse Ordnung. Auch Großhändler, Banquiers, Lieferanten kamen dorthin, aber nur gebildete und anständige, kurz nur solche, die in ihren Kreisen eine hervorragende Stellung einnahmen, wie Herr von Besse, Herr von Forcade und andere, deren Namen ich vergessen habe. Mit einem Wort: man sah dort nur Leute von guter Gesellschaft, alle Stände waren vertreten, nur Abbés und Juristen habe ich dort nie gesehen, und es war ein Übereinkommen, sie nie einzuführen. Diese ziemlich zahlreiche Tischgesellschaft war sehr heiter, ohne in Lärm auszuarten, und trieb allerlei Possen, ohne sich Gemeinheiten zu erlauben. Der alte Comthur verlor bei aller Schlüpfrigkeit seiner Erzählungen doch nie den geschmeidigen Ton des früheren Hofmannes, und nie entschlüpfte seinem Munde ein anstößiges Wort, wenn es nicht so drollig gewesen wäre, daß es selbst Frauen verziehen hätten. Er war für die ganze Gesellschaft tonangebend; alle diese jungen Leute erzählten ihre galanten Abenteuer in eben so freier wie anmuthiger Form, und an Geschichten von Mädchen fehlte es um so weniger, als ein förmliches Waarenlager von ihnen unmittelbar vor der Thür lag, denn von demselben Flure aus, der zu Frau La Selle führte, gelangte man auch in den Laden der Frau Duchapt, einer berühmten Modehändlerin, die damals sehr hübsche Mädchen beschäftigte. Diesen Laden pflegten unsere Herren vor oder nach dem Essen zu besuchen, um mit den Mädchen zu plaudern. Ich würde mich dort ebenso wie Andere unterhalten haben, wenn ich muthiger gewesen wäre. Ich brauchte nur wie sie einzutreten, wagte es aber nie. Auch nach Altunas Abreise aß ich ziemlich häufig bei Frau La Selle; dort hörte ich eine Menge sehr lustiger Anekdoten und nahm auch allmählich, zwar dem Himmel sei Dank nicht die Sitten, aber doch die Lebensregeln an, die ich dort herrschen sah. Verspottete Ehrenleute, hintergangene Ehemänner, verführte Frauen, geheime Entbindungen bildeten dort den gewöhnlichsten Gesprächsstoff, und wer am besten für die Bevölkerung des Findelhauses sorgte, dem wurde am meisten Beifall gezollt. Dies bestach mich; ich bildete meine Denkweise nach der, welche ich bei sehr liebenswürdigen und im Grunde auch sehr anständigen Leuten herrschen sah, und sagte mir: »Da es einmal Sitte des Landes ist, so kann man sie, wenn man darin lebt, auch befolgen.« Das war der Ausweg, nach dem ich suchte. Ich ergriff ihn entschlossen ohne das geringste Bedenken. Nur Theresens Bedenklichkeit hatte ich zu überwinden, die ich erst mit aller erdenklichen Mühe zur Annahme dieses einzigen Mittels, ihre Ehre zu retten, bewegen konnte. Da mir ihre Mutter, die sich überdies vor neuen Kindersorgen fürchtete, zu Hilfe kam, ließ sie sich endlich besiegen. Man wählte eine gewandte und zuverlässige Hebamme, eine gewisse Gouin, ledigen Standes, die an der Ecke von Saint-Eustache wohnte, um ihr die Ausführung des Planes zu übertragen, und als die Zeit gekommen war, wurde Therese von ihrer Mutter zu der Gouin geführt, um bei dieser ihre Entbindung abzuwarten. Ich

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