Roxelane
Zeremonie war zu Ende. Der Bann war gelöst.
Man plauderte, und man scherzte sogar.
Von der Bekanntschaft der jungen Leute sprach man und von dem Zufall ihres Kennenlernens, der kein Zufall gewesen war. Nino erwähnte einige Einzelheiten, die bewiesen, wie sehr Sokolli von seinem Herrn vermißt werde. Auch sein Dienst bei Ibrahim wurde gestreift. Doch kein Wort richtete sich gegen den allmächtigen Großwesir. Nur in Ausdrücken der Bewunderung sprachen die Damen von ihm.
Zu allem schwieg die Verhüllte.
„Höre, Sokolli“, sagte Nino schließlich, „unser Herr geht in den Krieg, und mein Herz ist schwer. So möchte ich den Trost haben, zu wissen, ob er sich immer bester Gesundheit und all des Kriegsglücks erfreut, das wir den Fahnen des Padischahs - Allah verleihe ihm Sieg und ein langes Leben! - voll Inbrunst wünschen.“
„Meine Feder wird tun, was sie vermag, um Euer Gnaden zu gefallen“, beeilte sich Sokolli ihr zu versichern.
„Das ist es! Du sollst schreiben“, nickte Nino. „Und wisse, daß meine Freundinnen und ich eine große Verehrung für Ibrahim Pascha hegen, um dessen Person du bist. Mit der kleinsten Einzelheit aus seinem Leben wirst du uns vertraut machen. Möge es dir noch so geringfügig erscheinen - hörst du? -, alles sollst du uns vom Serasker schreiben.“
Sokolli erhob sich und verneigte sich tief.
„Da es aber meinem Gatten mißfallen könnte“, fuhr Nino fort, „daß meine Besorgnis außer in seinen Briefen noch auf andere Weise Beruhigung sucht, so sollst du gegen jedermann schweigen. Merke wohl auf: gegen jedermann!“
„Euer Gnaden werden mich treu befinden“, erklärte Sokolli, und es war den leuchtenden Blicken des Jünglings anzusehen, daß seine frauenlose Jugend ihn sehr empfänglich für Ninos hübsches Gesicht gemacht hatte.
„Deinen Brief aber nähst du nicht in Seide oder Goldstoff ein, wie du es vielleicht möchtest“, wies ihn seine Gebieterin an, „sondern in schlechte, grobe Sackleinwand. Und du gibst ihn dem Miralei Waßif von den Zeltaufschlägern. Du sagst nichts, und er sagt nichts. Du gibst, und er nimmt. Das ist alles. Und dies ist für dich.“
Er wich zurück.
Sie reichte ihm den Beutel mit Dukaten hin.
„Nimm!“ sagte sie.
Abermals wich er zurück.
„Ich gehöre Euer Gnaden.“
„Nimm dennoch. Ich befehle es dir! Es ist vielleicht für meinen Dienst.“
Er verneigte sich, nahm den Beutel und steckte ihn in seinen Gürtel. Als er sich aber zurückziehen wollte, sprach die Verhüllte.
„Und merke eins, Sokolli“, sagte sie. „Ob Ibrahim Pascha ein Kreuz besitzt, merke dir. Es ist ein schlechtes Stück Blech und kaum noch versilbert. Darauf ist nach Art der Christen ein Monogramm des Sohnes der Maria eingekratzt - du kennst es - und auf dem rechten Balken ein ,S‘. Schreibe es auf, wenn du das Kreuz beim Serasker erblickst.“
Sokolli sah nichts als zwei Augen und einen dunklen Schatten, aus dem diese Worte kamen.
Aber zugleich gab er den Beweis von einer großen diplomatischen Geschicklichkeit.
Er kniete nieder, legte seine Hände vor sich auf den Boden und küßte den Staub zu Füßen der Verhüllten.
„Hören ist gehorchen“, sagte er.
Dann stand er auf und zog sich mit Seheb rückwärtsschreitend zurück.
Nino und Dede Semid aber waren erschrocken.
„Du hast dein Kreuz nicht mehr“, staunte Dede Semid, „dein Amulett?“
„Seit wann vermissen Hoheit es?“ fragte auch Nino.
„Seit dem Bad bei Esma Sultana“, sagte Roxelane.
28
In der Tag-und-Nacht-Gleiche des Herbstes brach der Serasker Großwesir mit dem Heer gegen Persien auf.
Kurz darauf traf ein neuer Mann in Konstantinopel ein, Chaireddin Barbarossa, der Korsar.
Mit acht seiner Schiffskapitäne kam er, jeder ein Mann von Namen. Im Arsenal wies man ihm Wohnung an. Und am folgenden Tag küßte er mit seinen Leuten Solimans Hand.
Der Rotbart war der Sohn eines Sipahi von Mitylene und hatte mit seinen Brüdern einen Seehandel betrieben, den man ebensogut auch Seeräuberei hätte nennen können. Auf diese Weise waren Chaireddins Geschäfte derart vorangegangen, daß er wenige Jahre später zwar keine Brüder mehr, dafür aber Algier gehabt hatte.
Chaireddin Barbarossa war Fürst eines Landes geworden, und statt Kauffahrer und Malteserritter hatte er einen Kaiser und dessen großen Admiral, nämlich Karl den Fünften und Andrea Doria, zu Gegnern bekommen.
Doch an gefangenen Christensklaven war in Algier niemals ein Mangel gewesen, und Barbarossas
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