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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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vom Stiefelknopf bis zum kostbarsten Schmuck, vom Scheuerlappen bis zum Brokat, von einer Zwiebel bis zu ganzen Schiffsladungen von Getreide und Vieh und von einem Singvögelchen bis zu den ausgesuchtesten Sklaven, den schönsten Sklavinnen alles zu kaufen gab, was man nur begehrte, und wo man obendrein schon beim Einkauf von Fischen oder Knoblauch mit Neuigkeiten aus der ganzen Welt versehen wurde.
    Hier erhielt man gründliche Nachrichten über die hohe Politik und über das vermutlich nächste Kriegsziel, ebenso wie über die großen Ereignisse in Europa, Indien oder China.
    Aber auch über die letzte Hofintrige bekam man Wissenswertes zu hören, über eine Eifersüchtelei unter den kaiserlichen Damen und über ähnliches. Und dazu kam dann noch selbstverständlich der gesamte Klatsch von Konstantinopel.
    Von der Mühlengasse also drangen die Menschen in diese Wirrnis von Gängen und Gäßchen und Höfchen ein, wo jeder Fußbreit Boden sein gutes Stück Geld kostete. Selbst ein Sitz auf der Straße mußte bezahlt werden. Größere Läden waren eine Quelle des Reichtums, und von der Miete einer hölzernen Bude konnte noch eine Familie leben. Sehr häufig verliefen diese Läden tief im Innern der Häuser. Doch von den Häusern selbst waren kaum jemals ein Mauereckchen oder ein Fenster zu sehen, so völlig verschwanden sie unter ihren Vor-und Anbauten. Das ganze Gewirr war derartig durcheinandergeschichtet, war mit Zwischenstocks, Halb- und Drittelgeschossen, mit Gängen und Türen, wie es ein augenblickliches und oft schon längst wieder vergessenes Bedürfnis einmal ergeben hatte, in einer Weise durchsetzt, daß sogar die Ladeninhaber kaum noch sagen konnten, zu welchem Haus oder zu welchen Häusern ihre Räume nun eigentlich gehörten.
    Wer darum für eine Weile verschwinden wollte, brauchte nur den Basar zu betreten - dann war er auch schon verschwunden.
    Zwar arbeiteten die Handwerker halb auf der Straße. Aber irgendwo hing ein Teppich, ein Fetzen, der den Verfolgten verbergen konnte, und wer auf dessen Wiedererscheinen hätte warten wollen, wäre um seine Zeit betrogen worden.
    Denn vielleicht öffnete sich, während der Späher noch wartete, am andern Ende des Viertels eine kleine Tür oder ein niederer Hausgang, und der Flüchtige, der bei einem Spengler eingetreten war, kam bei einem Schuster heraus, wenn er es nicht vorzog, in einer Kaffeestube oder einem versteckten Weinschank wieder aufzutauchen und den Gesprächen über Literatur, Staatskunst und gelehrte Sachen zu lauschen, Gesprächen, die dort ihre Stätte hatten.
    Der Basar entsprach somit einer solchen Menge von Bedürfnissen, daß Konstantinopel ohne ihn einfach undenkbar schien und kein Mensch daran dachte, irgend etwas an ihm zu ändern.
    Schon die Frauen hätten das nicht zugelassen.
    Für sie waren der Basar, die alles verhüllende schwarze Feredescha, die Kopftuch und Mantel in einem war, und der Schleier, den sie, wenn es ihren Zwecken diente, auch sehr dicht tragen konnten, die unerläßlichen Voraussetzungen für ihre persönliche Freiheit.
    Die Feredescha machte Kopf und Gestalt von den Augenbrauen ab unkenntlich. Die Nase verdeckte ein vergoldeter Holzpflock, der wieder den Schleier in der Mitte festhielt, so daß nur ein Spalt für die Augen frei blieb. In dieser Vermummung, in der alle Wesen einander glichen, hätte selbst der eigene Gatte oder Bruder eine Frau nicht erkannt, die unerkannt bleiben wollte. Und wenn sie nun noch in den Menschenstrom der Mühlengasse untertauchte, blieb sie vollends so lange verschwunden, wie es ihr beliebte.
    Denn das Gedränge war groß.
    Vergoldete Karossen mit zierlichen Holzgittern und einem Überhang von scharlachroter Doppelseide wechselten mit den zweirädrigen anatolischen Karren, den ,Nachtigallen 1 , wie man sie wegen ihres entsetzlichen Gequietsches nannte.
    Wendige kleine Lastesel suchten sich selbst ihren Weg, während dem klirrenden und flimmernden, federbebuschten Reiterzug eines Großen stöckebewaffnete Vorläufer Raum schafften.
    Dann wieder ritt eine reichgekleidete und leichtverschleierte junge Dame inmitten von Dienerinnen und schwarzen Eunuchen vorüber. Sie wollte in einem vornehmen Hause einen Besuch abstatten und brauchte sich und ihre Mädchen nicht zu verstecken.
    Dem Ulema machte man willig Platz. Er strebte im harten Trab seines schnellen, hochbeinigen weißen Maskatesels voran. Eine abgelöste Fahnenwache der Janitscharen kreuzte seinen Weg. Mit Schellenbaum, rasselnden

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